Das Haus mit Gras einpacken - Wärmedämmung aus Naturstoffen
Gülzow (dpa/tmn) - Seegras und das Schnittgut von Wiesen, Schafswolle und Schilfrohr können zur Energiewende beitragen. Denn damit lässt sich Dach und Hauswand dämmen. Oft sind die Stoffe jedoch teuer und nicht überall zu bekommen.
Die Wärmedämmung von Häusern ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Denn Verbraucher sollten künftig nicht nur möglichst viel Energie selbst produzieren - etwa durch Solaranlagen. Sie sollten auch möglichst wenig verschwenden. Und über eine nicht gut eingepackte Wand entweicht nun mal Wärme. Zum Dämmen eignen sich auch zahlreiche Naturstoffe.
Nur wenige greifen bislang auf die tierischen und pflanzlichen Stoffe zurück: „Ihr Marktanteil liegt derzeit um die sechs Prozent“, schätzt René Görnhardt von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe in Gülzow bei Rostock. Spitzenreiter darunter sind Holzprodukte, gefolgt von Hanf und mancherorts Schilfrohr. Schafwolle, Wiesen- oder Seegras sind nach wie vor Nischenprodukte.
Als größter Vorteil der Materialien gilt ihr Schutz vor Sommerhitze: Ist ein Dach mit einem natürlichen Dämmstoff eingepackt, dauert es laut Görnhardt bis zu acht Stunden länger als mit einer konventionellen Dämmung, bis die Hitze durch die Dämmung nach innen vordringt. Das schlagende Argument für die meisten Bauherren ist jedoch das ökologisches Bewusstsein: „Sie wollen regionale Produkte einsetzen, haben den Nachhaltigkeitsaspekt im Blick und das gute Gefühl, etwas Gesundes zu verwenden“, sagt Görnhardt.
Dafür nehmen die Verbraucher einige Nachteile in Kauf: „Das größte Hindernis sind für viele die höheren Anschaffungskosten“, erklärt Dietlinde Quack vom Öko-Institut in Freiburg. Hinzu kommt, dass die Stoffe schlechter Wärme im Haus halten. Gemessen wird das mit der Wärmeleitfähigkeit. Je niedriger der Wert ist, umso besser ist die Dämmwirkung.
Bei vielen natürlichen Dämmstoffen beträgt die Wärmeleitfähigkeit etwa 0,04 Watt je Kelvin und Meter. Das ist deutlich höher als bei manch einem konventionellen Dämmstoff. „Das heißt, dass man eine etwas dickere Schicht benötigt, um dieselbe Dämmwirkung zu erzielen“, erläutert Reimund Stewen, Vizepräsident des Verbandes Privater Bauherren (VPB) in Berlin. Manchmal ist das baulich nicht möglich, manchmal trägt der Dämmstoff auch optisch zu stark auf. Und nicht verwendet werden dürfen solche Rohstoffe dort, wo sie in Berührung mit Feuchtigkeit kommen.
Die natürlichen Dämmstoffe kommen vor allem in zwei Formen auf den Markt: Flocken aus Holzfasern, Seegras sowie lose Holzspäne, die mit Lehm ummantelt sind, können in eine Wandnische geblasen werden, erläutert Görnhardt. „Hauptsächlich werden nachwachsende Rohstoffe jedoch als Matten oder Rollen geliefert und für die Dämmung von Dachflächen, Geschossdecken und Fassaden eingesetzt.“ Damit sowie mit Platten aus Holzfasern können auch Laien recht gut umgehen - und ihre Fassade selbst dämmen.
Nicht jeder Rohstoff ist überall zu bekommen - mit Ausnahme von Produkten aus Holz und Hanffaser, die mittlerweile überall gut verbreitet sind. In gängigen Baumärkten sind die kleinen Nischenprodukte kaum vertreten. Eine Bezugsquelle sind Naturbaustoffmärkte. Auch erfahrene Handwerker gibt es nicht überall. In der Nähe einer Produktionsstätte sind die Chancen am größten, einen geübten Handwerker zu finden, sagt Görnhardt.
Die Herkunft sollte für Verbraucher ein Auswahlkriterium sein. Sie spielt letztlich in der Bewertung der Ökobilanz eine nicht unerhebliche Rolle. Und hier kann es Überraschungen geben: „Der einzige Hersteller von Seegrasdämmung hat seinen Sitz nicht - wie man vermuten würde - an der Ostsee, sondern in Bayern. Und das Seegras stammt aus dem Mittelmeerraum“, sagt der Rohstoffexperte Görnhardt.