Den Garten genießen Eine Oase für die Sinne kreieren
Bonn/München (dpa/tmn) - Einen Garten ohne Kräuter kann sich Doris Pöppel nicht vorstellen. Selbst wenn sie die Pflanzen nicht allesamt in der Küche verwendet: Allein schon wegen des Duftes von Pfefferminze, Fenchel, Thymian, Waldmeister und Rosmarin mag sie auf diese Pflanzen im Beet nicht verzichten.
„Ich bin ein Nasenmensch und mag alles, was schön duftet. Aus manchen Pflanzendüften würde ich am liebsten ein Parfüm kreieren“, sagt die Staudengärtnerin.
Dass Pflanzen in besonderer Weise die Sinne ansprechen, ist nichts Neues. „Rausgehen in die Natur - oder zumindest in die gezähmte Natur eines Gartens - ist ein altes Heilmittel, um die Seele, den Körper und auch das Herz wieder geradezurücken - im übertragenen wie im eigentlichen Sinn“, sagt Buchautorin Christine Paxmann aus München. In urbanen Gegenden werden solche natürlichen Oasen inzwischen bewusst angelegt - als spezielle Sinnesgärten.
Oft haben sie auch einen therapeutischen Hintergrund, etwa für Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder einer Demenzerkrankung. „Gut gemachte Sinnesgärten steigern nachweislich die kognitiven Fähigkeiten, fördern die Aufmerksamkeit und regen den gesamten Stoffwechsel an“, sagt Paxmann. „Tasten, riechen, hören, sehen und auch schmecken - all das wirkt sich auf den Hypothalamus aus, unsere wichtigste Steuerzentrale für das vegetative Nervensystem.“
Auch den eigenen Garten kann man in ein Paradies für die Sinne verwandeln. Landschaftsarchitekt Manuel Sauer aus Bonn empfiehlt, die Bereiche nicht zu kleinteilig zu gestalten. „Je mehr Blütenfolgen oder unterschiedliche Gewächse ein Beet hat, umso unruhiger und auch pflegeintensiver wird es. Großflächige Bepflanzungen hingegen wirken harmonisch, lassen viel stärkere Bilder und eindrucksvollere Effekte entstehen.“ Sein Tipp, damit solche Flächen nicht monoton wirken: für die Fläche Bodendecker einsetzen und an bestimmten Stellen Ruhepole mit prägnanten Pflanzen in Dreiergruppen kreieren.
Ziergräser, die im Wind rauschen, sind laut Sauer für einen Sinnesgarten geeignet - sowohl als kleinwüchsige Varianten wie das Zwerg-Lampenputzergras 'Little Bunny' (Pennisetum alopecuroides) als auch hochwachsende Formen wie das Chinaschilf 'Ghana' (Miscanthus sinensis) oder das Pampasgras (Cortaderia selloana).
Damit man die Sinneswahrnehmungen bewusst erfahren kann, sollte es möglichst wenige Barrieren zwischen Mensch und Natur geben. Ein Sitzplatz inmitten von Lavendel oder umrankt von duftenden Rosen kann zum Verweilen einladen. Auf einem Barfußweg lassen sich Moose sowie Naturmaterialien wie Rindenmulch, Kiesel, Erde und Sand erfühlen.
Autorin Paxmann rät, Pflanzen auszuwählen, die auf relativ kleinem Raum bestimmte Sinne stark ansprechen: „Ein Sinnesgarten muss kein riesiges Areal sein, auch ältere Menschen sollen ja mit wenigen Schritten vielfältige Erfahrungen sammeln können.“ Neben Kräutern, die von selbst oder bei Berührung duften, bieten sich auch Blumen und Sträucher wie Levkojen, Malven, Flieder und Jasmin an.
Verschiedene Blattstrukturen wiederum laden zum Ertasten ein. „Die Römische Kamille bildet kuschelige weiche Teppiche, die zudem auch duften. Flauschig und weich sind Woll-Ziest, Perlkörbchen und Zartes Federgras“, erläutert Pöppel. Eher pockig und genarbt ist das Laub der Gattung Schaublätter und Maiäpfel. Besonders glatte Blätter haben hingegen die Christrose und die zahlreichen Funkiensorten.
Auch für den Gaumen gehört etwas in den Sinnesgarten - etwa Tomaten oder Himbeeren. Landschaftsarchitekt Sauer empfiehlt die Felsenbirne. „Die dunkelroten bis bläulichen Beeren der Felsenbirne schmecken sehr lecker und ziehen auch viele Vögel an.“ Genießbar, wenn auch herber im Geschmack sind die Früchte von Zierapfel und Blumenhartriegel.
Grundsätzlich empfiehlt Paxmann, die Sinneserlebnisse zu steigern, indem man zum Beispiel auf einem bestimmten Weg durch den Garten geht. „So werden die Sinne langsam trainiert und nicht überfordert. Denn eines darf man nicht vergessen: Ein Zuviel, auch von sanften Sinnesimpulsen, kann das Gegenteil bewirken - es nervt.“
Literatur:
Maren Partzsch, Christine Paxmann: Kraftquelle Garten. Gärtnern mit allen Sinnen, BLV Buchverlag, 2018, 128 S., 20,00 Euro, ISBN-13: 978-3-8354-1774-8