Mythenumwobenes Reptil: Äskulapnatter ist streng geschützt
Schlangenbad (dpa) - Die Äskulapnatter ist zwar in unserem Alltag vielfach präsent - in freier Wildbahn bekommt man sie aber nur an wenigen Orten zu Gesicht. Auf jedem Apothekenzeichen windet sich eine Schlange um einen Arzneikelch - als Verweis auf den antiken Heilgott Asklepios, auch Äskulap genannt.
Das lebendige Vorbild der Schlange ist in Deutschland in vier kleinen Regionen vertreten. Neben zwei Vorkommen in Bayern schlängelt sich das mythenumwobene Reptil in Hessen rund um Schlangenbad nahe Wiesbaden und bei Hirschhorn im Odenwald durch die Landschaft.
Die Biologin Annette Zitzmann von der Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz (AGAR) schätzt die Zahl der Äskulapnattern in Hessen auf mehr als 10 000 Tiere. Der Bestand sei derzeit stabil, sagt sie. Das liegt womöglich an den besonderen Anstrengungen zum Schutz der Schlangen. An mehreren Dutzend Stellen haben Naturschützer in den vergangenen Jahren beispielsweise Komposthaufen im Wald aufgebaut, in denen die Äskulapnattern ihre Eier ablegen können.
In Hessen steht die europaweit streng geschützte Äskulapnatter seit rund zehn Jahren speziell im Fokus. Geld für die Arbeit der Umweltschützer kommt auch von der Landesregierung - sie ist per EU-Recht dazu verpflichtet, den Bestand der Schlange regelmäßig dokumentieren zu lassen.
„Durch den Verlust ihres Lebensraums sind diese Reptilien extrem stark bedroht“, sagt Zitzmann. „Sie benötigen ein Spiel aus Licht und Schatten, wie es etwa in Bachtälern, an Trockenmauern oder offenen Obstgärten vorkommt.“ Daher ist es auch wichtig, dass solche Landschaften frei gehalten werden.
Das Verbreitungsgebiet im Rheingau-Taunus-Kreis rund um Schlangenbad ist etwa 100 Quadratkilometer groß, der Kurort ist auch vom seinem Namen her eng mit der Äskulapnatter verbunden. Das kleinere Vorkommen in Hirschhorn umfasst etwa 30 Quadratkilometer. Dort kümmert sich Michael Waitzmann von der baden-württembergischen Landesanstalt für Umwelt um die Schlange. Rund die Hälfte der Odenwälder Population liegt jenseits der hessischen Landesgrenze.
„Wir finden regelmäßig Tiere in ganz unterschiedlichen Größen“, berichtet Waitzmann. Dies spreche für eine gesunde Altersstruktur in der Population. Waitzmann kann die Schlangen in seinem Gebiet anhand von Fotos wiedererkennen, die er von den individuellen Kopfschuppen der Tiere macht. „Die Äskulapnatter ist eine harmlose und nützliche Schlange“, betont er. Sympathisch mache sie auch ihr „relativ freundlicher Gesichtsausdruck“ mit den runden Pupillen.
Einer der Komposthaufen für die Eiablage steht im Wald nahe Schlangenbad. Die alten Strohballen sind nicht nur bei Äskulapnattern beliebt - und auch nicht nur für die Eiablage geeignet. Bei regnerischem Wetter haben es sich Vertreter mehrerer Arten unter schwarzen Gummimatten bequem gemacht. Die Matten wurden von den Biologen ausgelegt, um Teile des Haufens trocken und warm zu halten.
Bei ihrer Kontrolle trifft Zitzmann auf Ringelnattern, eine Waldeidechse, Blindschleichen - und auf Äskulapnattern. „Die Komposthaufen wurden von den Schlangen gut angenommen“, berichtet sie. Wenn im Herbst das Material vorsichtig umgeschichtet wird, dann sehen die Experten anhand der Eihüllen, wie viel Nachwuchs geschlüpft ist.
Die Matten-Verstecke dienen auch dazu, die Population im Blick zu behalten und mehr über einzelne Tiere zu erfahren. Knapp 600 Äskulapnattern in Hessen tragen einen speziellen Chip unter der Haut, eine individuelle Kennung.
Zitzmann hat eine kleine, etwa ein Jahr alte Äskulapnatter entdeckt und mit einem raschen Griff gefangen. Wenn sie mit einem Lesegerät über die Flanke des Tieres fährt, blinkt auf dem Display eine Nummer auf. Die Daten werden zusammen mit einem Geo-Code vermerkt und gesammelt. Kurz darauf gibt es am Rande einer Trockenmauer noch ein besonderes Schauspiel: Zwei Männchen winden sich in einem Ritualkampf umeinander. Es geht um die besten Chancen bei den Weibchen, denn im Frühsommer ist bei den Schlangen Paarungszeit.