Kinder- und Jugendtourismus: Allein auf großer Fahrt

Reisefieber packt nicht nur Erwachsene. Kinder und Jugendliche wollen auch neue Orte erkunden. Ab wann und wie können Eltern ihren Nachwuchs allein ziehen lassen?

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So wenig das Reisen Minderjähriger ohne Eltern gesetzlichen Regelungen unterliegt, so wenig gibt es ein konkretes Einstiegsalter, um die ersten eigenen Urlaubserfahrungen zu machen. „Im Prinzip ist kein Kind zu jung, um zu verreisen“, sagt Dennis Peinze, Geschäftsführer beim Bundes-Forum für Kinder- und Jugendreisen e. V. in Berlin. Teilweise würden schon im Kindergarten Ausflüge organisiert — ein erster möglicher Test, wie die Kleinen auf die Zeit ohne ihre Angehörigen reagieren. Das Gute daran: Die Kinder sind mit zuverlässigen Aufsichtspersonen unterwegs, die sie bereits kennen.

Aber auch bei Reisen in Gruppen jenseits des gewohnten Rahmens empfiehlt Peinze die professionelle Betreuung durch Aufsichtspersonen, die unter anderem in Reise-, Straf- und Sexualstrafrecht sowie Jugendschutz geschult sind. „Das ist ein wichtiges Qualitätskriterium. Der Katalog zu den Ausbildungsgrundlagen ist sehr umfangreich. Immerhin geben Eltern vorübergehend ihre Verantwortung ab.“ Zu einem lückenlosen Betreuungssystem — seriöse Veranstalter legen die Einzelheiten in einem Konzept für Interessierte offen — rät Wolfgang Ilg, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Tübingen und Leiter des Projekts Freizeitevaluation. „Dazu gibt es eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse. Gute Freizeitanbieter bieten oft einen Betreuungsschlüssel von einem Betreuer zu fünf Kindern.“

Laut Ralf Olk, Vorstandsmitglied des Deutschen Fachverbands für Jugendreisen, Reisenetz e. V., holt der Veranstalter vor Reisebeginn Informationen über die Teilnehmer und Genehmigungen für Ausflüge und Aktivitäten ein, um seine Aufsichtspflicht rundum zu erfüllen. Keinesfalls darf er diese ganz oder teilweise vertraglich ausschließen. So oder so sollte der Kontakt zu den Eltern jederzeit möglich sein. Ein weiteres Seriositätsmerkmal: Versicherungen sowie Reise- und Verpflegungskosten sind in einer Preisübersicht aufgeschlüsselt.

Um Unfall-, Kranken- und Reiserücktrittversicherung müssen sich Eltern vor Reisebeginn kümmern, meist bietet der Veranstalter ein passendes Paket an. Überdies ist er zu einer Insolvenzversicherung verpflichtet. Darüber erhält der Kunde vor Antritt der Reise einen Sicherungsschein, der ihn davor schützt, auf Kosten sitzen zu bleiben, wenn der Anbieter vor oder während der Freizeit Insolvenz anmeldet. Der Rechtssitz des Veranstalters in Deutschland stellt sicher, dass mögliche Vorfälle nach deutschen Recht geklärt werden. Unternehmen, die einem Dach- oder Fachverband für entsprechende Reiseanbieter angehören, erfüllen diese und weitere Kriterien automatisch.

Mit Blick auf das Reiseziel bietet sich bei jungen Urlaubern die nähere Region an, vor allem, wenn sie zum ersten Mal ohne Eltern unterwegs sind. „Bei Anzeichen von Heimweh kann der Veranstalter einfacher die Eltern informieren“, begründet Peinze. Dafür eigneten sich beispielsweise ein Bauernhof oder Stadtranderholung. Wichtig sei, den thematischen Hintergrund entsprechend den Interessen des Kindes zu wählen.

Lernen loszulassen können Eltern wie Nachwuchs bei Familienreisen mit Betreuungsangeboten, wie Martina Drabner, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendreisen, sagt. „Bei diesen Formaten sind Kinder zeitweise unter sich und können sich in die Situation hineinfinden, genauso wie die Eltern. Haben die jungen Menschen Angst in fremden Gruppen, kann ein Freund oder eine Freundin mitgenommen werden.“ Ein überschaubarer Zeitraum sei ein Wochenende. Länger als eine Woche sollte eine erste Reise ohne Eltern nicht dauern, ergänzt Dennis Peinze.

Und wohin reisen Jugendliche heutzutage gern? „Strand, Sonne, Meer — so stellen sie sich ihren Urlaub vor“, sagt Kristina Oehler, Prokuristin von „Ruf“, einem Anbieter für betreute Reisen junger Globetrotter. Im Schnitt dauere ein Aufenthalt neun Tage. „Spanien liegt ganz weit vorne, das Festland macht 40 Prozent unserer Buchungen aus.“ Auch Italien, Kroatien, Frankreich und Skandinavien würden deutlich nachgefragt. Top-Fernziel: die USA.

„Die Welt ist für Jugendliche durch die digital vernetzte Kommunikation sehr klein geworden, sie haben keine Berührungsängste mehr.“ Im Trend liegen laut Oehler aktuell Campingprodukte sowie Sportangebote wie Surfen und Wellenreiten. Alternativen zum reinen Erholungsurlaub sind unter anderem Sprachreisen, internationale Jugendbegegnungen mit interkulturellen Erlebnissen sowie Workcamps, zum Beispiel mit Umwelt-Projekten vor Ort. „Unter anderem das Jugendamt gibt Auskunft zu Verbänden und Organisationen, die mit Jugendlichen aktiv sind, etwa Feuerwehr, Kirche, Musikschule, Vereine und viele mehr“, sagt Robert Helm-Pleuger, Eurodesk Projektkoordinator bei der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. (IJAB).