Osmanenprunk: Der Beylerbeyi-Palast in Istanbul
Istanbul (dpa/tmn) - Zu Topkapi und Dolmabahce pilgern die Massen. Andere Paläste der Osmanen-Sultane in Istanbul sind weit weniger berühmt und überlaufen - vor allem dann, wenn sie auf der weniger besuchten asiatischen Seite der Bosporus-Metropole liegen wie der Beylerbeyi Sarayi.
Eines der abgegriffensten Klischees über Istanbul ist die Stadt auf zwei Kontinenten. Die meisten Touristen bleiben aber auf einem Kontinent: dem europäischen. Nur wenige machen einen Abstecher zur asiatischen Seite. Dabei verbergen sich dort im Schatten des modernen Istanbul Perlen der osmanischen Zeit wie der Beylerbeyi Sarayi, einer der wenig bekannten Sultanspaläste.
Der schönste Weg zu ihm führt über den glitzernden Bosporus. Das Boot legt an einem Kai am Fuße bewaldeter Hänge an, zwischen den Bäumen sind pastellfarbene Wohnblöcke verstreut. Beylerbey heißt das noble Wohnviertel, benannt nach dem Sultanspalast am Ufer der Meerenge. „Je weiter man von hier nach Norden fährt, desto teurer wird es“, erklärt Oktay Özserbetçi, ein Touristenführer. Vor allem Industriefürsten und Baulöwen haben sich hier niedergelassen. Aber auch Intellektuelle, Künstler und alteingesessene Istanbuler Familien leben in den aufwendig restaurierten osmanischen Holzhäusern.
Die frische Brise und die grandiose Aussicht über den Bosporus schätzten schon die Sultane. Im Beylerbeyi-Palast verbrachten sie bevorzugt den Sommer, spazierten auf Kieswegen zwischen rund geschnittenen Büschen und weißen Laternen. Der Ort ist noch immer ein Refugium im Moloch Istanbul, auch wenn der Palast sich heute im Schatten der Hängebrücke duckt, die sich 1074 Meter lang und 64 Meter hoch über den Bosporus spannt. In den kleinen Kiosken entlang der Wasserfront, Kusluk (Vogelhaus) genannt, tranken die Sultane früher Kaffee. Zu den Anlegestellen öffnen sich prächtig verzierte Portale. Am schönsten von ihnen posiert ein junges Brautpaar, Urlauber und Ausflügler machen Fotos.
Der hünenhafte Sultan Abdülaziz ließ den Sommerpalast von 1861 bis 1865 an der Stelle eines alten Holzpalastes erbauen, ohne Heizung und Küche. Die Speisen wurden angeliefert. Doch auf den üblichen Prunk der Osmanen wollte ihr vorletzter Sultan nicht verzichten.
Oktay Özserbetçi führt unter der vergoldeten Kassettendecke vorbei an riesigen Spiegeln zu einem großen Raum. In der Mitte gruppieren sich Empire-Möbel im weiten Halbkreis um einen Marmortisch, darauf eine blaue Vase. „Das ist das Wartezimmer des Admirals“, erklärt Oktay. Die Einrichtung beschreibt er als Synthese von Barock und Rokoko mit dem osmanischem Stil. Ein riesiges Marmorbecken, mit Wasser gefüllt, kühlte im Sommer den Herrschersitz.
Oktay führt weiter zum Esszimmer. „Die Stühle aus Zedernholz sind mit Gazellenleder überzogen“, erklärt er. Das Schlafzimmer mit dem kurzen, breiten Bett des Sultans und der filigranen spanischen Wand wirkt wie eine Puppenstube. Sultan Abdülhamid II. lebte hier nach dem Putsch der Jungtürken von 1912 bis zu seinem Tod 1918.
Über eine breite Holztreppe geht es hinauf in den ersten Stock, „das Areal der Haremsmutter“. Im Blauen Saal entfaltet sich die wahre Pracht der alten Osmanen. Die japanischen und chinesischen Porzellanvasen stammen aus dem 11. bis 13. Jahrhundert, die Leuchter im Ballsaal sind aus böhmischem Kristall, der Doppelkantenteppich erstreckt sich über 140 Quadratmeter. In die Decke sind Lobschriften in goldenen arabischen Lettern eingelassen.
„Das schönste Zimmer aber haben wir hier, die VIP-Loge“, ruft Oktay und führt in ein Kabinett, bis zur hohen Decke mit dunklem Holz verkleidet - ohne einen Nagel. Der Raum sei schalldicht, erklärt Oktay: „Hier berieten die Sultane ausnahmsweise ohne Dolmetscher.“
Den Zerfall ihres Reiches konnte alle Diplomatie nicht verhindern. Einer der zehn Gründe für den Niedergang, erklärt Oktay, seien die immensen Summen gewesen, die der Bau der Paläste verschlang. Wer den Beylerbeyi Sarayi besucht, glaubt es sofort.