Reisen in Zeiten des Terrors Profitieren Kreuzfahrten von der Angst?
Berlin (dpa/tmn) - Schiffsreisen sind im Trend. Auch in Zeiten des Terrors geht es der Branche gut. Da stellt sich die Frage, ob die Kreuzfahrt ein Profiteur der politischen Unsicherheit und der Angst vor Anschlägen ist.
Anders formuliert: Ist die Kreuzfahrt die letzte sichere Reiseform?
Mehr als zwei Millionen Deutsche haben 2016 eine Kreuzfahrt unternommen, ein Plus von rund 11 Prozent. Der Umsatz des Gesamtreisemarktes dagegen ist laut Deutschem Reiseverband (DRV) leicht geschrumpft. Ursache dafür war nicht zuletzt die Krise nach den Anschlägen unter anderem in der Türkei. Während viele Hotels in dem Land unter der Flaute litten, konnten die Reedereien ihre Schiffe einfach in andere Fahrtgebiete verlegen.
Wie wichtig ist Urlaubern Sicherheit?
Umfragen zeigen, dass die gefühlte Sicherheit einer Destination immer größeren Einfluss auf die Urlaubsentscheidung hat. „Sicherheit wird, anders als früher, nicht mehr per se im Urlaub vorausgesetzt, sondern hinterfragt und als Qualitätselement einer Reise oder einer Destination wahrgenommen“, sagte der Tourismusforscher Prof. Torsten Kirstges von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven anlässlich der Reisemesse ITB (8. bis 12. März) in Berlin. Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) wird die politische Lage als Kriterium der Reisezielwahl stärker als früher thematisiert. Das Gesamtvolumen an Reisen sei zwar nicht gesunken, es habe aber deutliche Verschiebungen der Reiseströme gegeben. Laut einer Umfrage des Instituts Norstat im Auftrag des Reiseportals Travelzoo beschäftigen sich 72 Prozent der Urlauber bei der Auswahl ihres Ziels stärker als früher mit dem Thema Sicherheit.
Beflügelt die allgemeine Unsicherheit die Kreuzfahrt-Nachfrage?
Auf den ersten Blick ja. Die Zahl der Kreuzfahrtgäste ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. 2016 verbrachten 2,02 Millionen Deutsche ihren Urlaub auf dem Meer - 11,3 Prozent mehr als 2015. Die Frage ist jedoch, was die Ursachen für dieses starke Wachstum sind. „Die großen Zuwächse haben vor allem andere Gründe“, ist Helge Grammerstorf vom Kreuzfahrtverband Clia Deutschland überzeugt. „Die Kreuzfahrtbranche hat in den vergangenen Jahren immer große Zuwächse erzielt - egal, ob es Anschläge und politische Krisen gab oder nicht.“ Als wichtigsten Grund für das Wachstum nennt Grammerstorf das immer größere Angebot an Schiffen.
Auch für Kirstges ist die Sicherheit ein Aspekt für den Erfolg von Kreuzfahrten - „aber nicht der alleinige oder entscheidende Grund“. Vielmehr würden Kreuzfahrten für immer mehr Leute bekannt, verfügbar und erschwinglich. Die Sicherheitsvorteile gäben dem Gast allerdings ein „leichteres, unbeschwertes Urlaubsgefühl“.
Die Travelzoo-Umfrage stützt die These, dass es nur einen kleinen Zusammenhang gibt. Nur 4 Prozent der Befragten antworteten, dass sie sich für eine Kreuzfahrt statt einer anderen Art von Urlaub entscheiden würden, um dadurch ihre Sicherheit zu erhöhen.
Wie sicher sind Kreuzfahrtschiffe?
Bei der Frage, wie gut Kreuzfahrtschiffe gegen terroristische Angriffe geschützt sind, lassen sich die Reedereien nicht gerne in die Karten schauen - aus gutem Grund: Schließlich sollen Terroristen keinen Einblick bekommen. „Es wird im Hintergrund viel unternommen, was Urlauber gar nicht mitbekommen“, sagt Grammerstorf. Sichtbar für Urlauber ist zum Beispiel, dass es in allen größeren Häfen um die Schiffe herum weiträumig abgesperrte Bereiche gibt. Am wichtigsten sei jedoch der Schutz im Vorfeld der Reise. Hier werden zum Beispiel Passagierdaten erfasst. Insgesamt seien die Sicherheitsmaßnahmen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht worden.
Für Kirstges sind die Gefahren auf einem Kreuzfahrtschiff geringer als bei einem Landurlaub. Dennoch: „Man muss kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, dass der Tag kommen wird, an dem auch ein Kreuzfahrtschiff Ziel eines terroristischen Anschlags werden wird.“
Wie einfach lassen sich Kreuzfahrtschiffe umrouten?
Die schwimmenden Hotels können - vor allem im Hochseebereich - notfalls relativ einfach verlegt werden. „Theoretisch kann man innerhalb von Sekunden umrouten und beispielsweise einen Hafen nicht anlaufen“, so Grammerstorf. „Das ist ein Vorteil gegenüber dem Landurlaub. Das liegt aber in der Natur der Sache und ist kein besonderes Verdienst der Kreuzfahrt.“ Grundsätzlich setzen Reedereien die Schiffe dort ein, wo es Nachfrage von Gästen gibt. Derzeit läuft beispielsweise kaum ein Kreuzfahrtschiff die Türkei an - weil viele Urlauber nicht mehr in das Land wollen. Sowohl für 2017 als auch 2018 haben viele Reedereien ihre Anläufe abgesagt.