Sagenhafte Führung durch Schwerin
Schwerin (dpa) - Dietrich Felske ist Schlossgeist aus Leidenschaft: Im rot-schwarzen Kostüm hat er schon unzählige Touristen durch Schwerin geführt. Auf dem Weg durch die Residenzstadt erzählt er Anekdoten aus der DDR-Zeit und von einem Treffen mit Münchhausen.
„Kommse, kommse“, ruft das Petermännchen und regelt mit schnellen Handzeichen an einer Kreuzung den Verkehr. „Die ham alle mehr Zeit wie wir!“ Mit seiner roten Uniform, schwarzen Stiefeln und einer weißen Feder am Hut ist Dietrich Felske ganz in seinem Element. Als sagenumwobener Schlossgeist führt er, wieder mal, eine Gruppe von Tagestouristen durch Schwerin. „Kommse doch näher! Für zwei Stunden sind wir jetzt eine Familie.“
„Sie können hier lustwandeln, wo Sie wollen: Es gibt kaum einen Ort, an dem das Petermännchen nicht gewirkt hat“, versucht Felske seine Gäste zu motivieren, doch so mancher versteht das ob der Mittagshitze wohl eher als Drohung. Die reisenden Senioren, alle um die 70, sind im Stress: Erst am Morgen kamen sie vom Darß, in ein paar Stunden fährt ihr Bus weiter nach Wismar.
Felske hingegen, selbst schon 74 Jahre alt, zieht strammen Schrittes voran. In der Landeshauptstadt ist er ein Star, immer wieder grüßen ihn die Passanten. Kein Wunder, gibt er der bekanntesten Sage der Stadt doch seit knapp 40 Jahren ein Gesicht.
Das Petermännchen geistert seit Jahrhunderten durch die Region - und wer genau aufpasst, der hört es noch heute auf seinen Amboss schlagen, so heißt es. Der Legende nach wurde es verwünscht, weil es einen Mönch erschlug. Seither lebe das Petermännchen in Pinnow unter dem Petersberg.
In Pinnow erfuhr auch Felske erstmals von dem Kobold: Als Flüchtlingskind kam er 1945 aus Ostpreußen dorthin. Seitdem lässt ihn die Sage nicht mehr los.
Auf dem Weg durch die historische Altstadt erzählt Felske im Schnelldurchlauf vom politischen Wandel in Schwerin, wo zunächst die Herzöge, dann die Russen und später die DDR-Kader das Sagen hatten. „Als ich ein Kind war, war die Straße an der heutigen Staatskanzlei noch gesperrt“, sagt Felske. „Das waren die Russen. Bis in die neunziger Jahre hat es gedauert, bis die da wieder weg waren.“
Die müde Touristengruppe im Schlepptau, marschiert das Petermännchen weiter zum Rathaus, durch die Schelfstadt und, zum großen Finale, bis ans imposante Schloss. Überall, wo renoviert wurde, freut sich Felske: „Unterm Strich: Es lebt wieder, Häkchen dran.“ So auch am Schweriner Schloss, das heute als Sitz des Landtags genutzt wird.
Früher aber, erzählt Felske, hatte im Schloss das Petermännchen das Sagen. „War ein Wachmann mal nicht aufmerksam, dann hat das Petermännchen ihn geohrfeigt. Hat die Wache sogar geschlafen, hat das Petermännchen erst ihr Gewehr zerlegt und sie dann geklatscht.“
Trotzdem: Im Grunde habe der sagenumwobene Kobold ja nur Gutes im Sinn, das gehe aus Überlieferungen hervor, sagt Felske. Gutes tun, die Legende am Leben erhalten, das ist es auch, was ihn selbst antreibt. „Ich habe ja auch was Anständiges gelernt, war Diplom-Betriebswirt.“ Doch in den Siebziger Jahren fing er an, in der Freizeit als Stadtführer zu arbeiten. „In Mecklenburg-Vorpommern und da, wo wir in der DDR hindurften: Also in Russland und Rumänien.“
Verkleidet war er damals noch nicht, das kam erst mit der Wende. Seit einiger Zeit trägt er sogar einen echten Bart: „Das ist ein Dienstbart“, sagt Felske mit strenger Stimme. „Über den aufgeklebten haben sich die Kinder immer lustig gemacht.“ Was Anfang der Neunziger noch Neuland war, ist heute ein Trend: In Buxtehude hat Felske kürzlich an einem Treffen mit anderen kostümierten Märchenfiguren teilgenommen - „Münchhausen war auch da“, berichtet er schmunzelnd.
Am Ende des Rundgangs angekommen, haben auch die Schweriner Touristen ihre Puste wiedergefunden. „Eine Mischung aus Unterhaltung und Information - so muss das sein!“, freut sich Rudolf Marek und strahlt. „Den schlag' ich fürs Bundesverdienstkreuz vor!“ Doch das Petermännchen treibt da schon wieder woanders seinen Schabernack.