Reiseberichte Seychellen: Ein kleines Stück Gondwana

Das Inselparadies mit einsamen Palmen, türkisblauem Meer und Puderzuckerstränden bietet heißen Séga und das Eintauchen ins Kreol.

Die Hand auf der Trommel schlägt langsam. Leise. Fast wie ein Rascheln. Der Rhythmus wird schneller. Glockenhell mischt sich die Triangel ein. Dann weitere Trommeln und eine Rassel — das Kommando für die Tänzerinnen. Rot, blau, grün und gelb sind ihre weiten Röcke, Rüschen wirbeln in den Drehungen. Die Oberteile sind knalleng und bauchfrei, in den Haaren stecken riesige pinkfarbene Blüten. Barfuß bewegen sich die Frauen im Sand um ein Lagerfeuer herum. Eine Gitarre erklingt, dann ertönt Gesang. Die Bewegungen ihrer gebräunten Körper werden größer, fließender. Die Röcke fallen. Kaum mehr als mit einem Bikini bekleidet, beginnt ein Tanz wie in Ekstase. Ein Rhythmus, der auch die Zuschauer wie in einen Strudel hineinzieht. Ein Rhythmus, vor dem es kein Entrinnen gibt: Séga.

Heiß ist es am Strand, noch heißer in der Nähe des Feuers, brandheiß wird dem, der den Damen zusieht. Hüften kreisen lasziv, Becken und Schultern schlagen im Takt vor und zurück, Körper winden sich in eindeutig zweideutigen Posen. Ein Akt, der nie zu enden scheint, denn die Musik ist pure Leidenschaft und Improvisation. Stimmungsabhängig. Mal erotisch, mal klagend und trauernd.

Letzteres ist ihre Tradition, denn Séga war einst die Musik der Sklaven und drückte ihr Leiden aus. Eine Musikform, die sich im 18. Jahrhundert auf den Inseln im Indischen Ozean verbreitete und vor allem auf Mauritius heimisch wurde. Doch heute brennt das Feuer auf Mahé, der Hauptinsel der Seychellen. Funken sprühen knisternd aus den brennenden Holzscheiten und verglühen im Sand. Tief schwarz liegt dahinter das Meer, der Mond zieht einen silbrig-glänzenden Faden hindurch. Das Séga-Ensemble ist wie in Trance — und wird irgendwann vom Applaus der europäischen Gäste geweckt.

Die Seychellen bieten alles: Von Palmen gesäumte Puderzuckerstrände, einen sanft plätschernden Ozean, zwölf Stunden Sonne pro Tag und Temperaturen um die 30 Grad — auch im Meer. Dazu dicke, runde Granitfelsen, die grau oder schwarz an den Stränden liegen und von der Historie vieler der insgesamt 115 Inseln zeugen. Sie sind Relikte einer versunkenen Berglandschaft mehr als 1500 Kilometer östlich von Kenia. Und Relikte des Urkontinents Gondwana.

Die Geschichte der Seychellen begann vor rund 150 Millionen Jahren — möglicherweise mit einem Vulkanausbruch unter Wasser oder einem Meteoriteneinschlag. Kontinentalplatten verschoben sich, die Seychellen wurden vom Festland abgetrennt. Neben den Granit-Eilanden gehören aber auch viele kleine Koralleninseln zu dem Archipel.

Taucher entdecken dort nicht die typischen Gesteinsformationen, sondern intakte Riffe aus farbenprächtigen Korallen. Rot, gelb, orange oder grün haften sie fest am Untergrund oder wiegen ihre Tentakel in der sanften Strömung hin und her. Wie Blumen blühen sie in Büscheln oder fest verknäuelt und bilden faszinierende Refugien für tausende schillernd-bunte Fische.

Wer am Ufer entlang läuft und über die dunklen Steine klettert, findet seinen ganz privaten Traumstrand. Eine kleine Bucht, die verwunschen da liegt, keine Spuren im Sand, außer den eigenen. Granit und Korallenriffe schimmern wie schwarze Schatten auf dem flachen Meeresgrund. Palmen wachsen windschief zwischen den bizarren Felsen und recken sich der Sonne entgegen. Anfang der 80er-Jahre räkelte sich Bo Derek als „Jane“ leicht bekleidet auf einem dieser Steine und wartete auf Tarzan, denn der Film „Tarzan — Herr des Urwalds“ wurde unter anderem auf den Seychellen gedreht.

So endlos sich der Indische Ozean auf der einen Seite erstreckt, so dramatisch ragen die Felsmassive im Inselinneren auf. Steile Granitwände, dunkelgrün bewaldet, mächtig, fast bedrohlich. Die Vegetation ist tropisch, ans Schwitzen müssen sich Urlauber schnell gewöhnen.

Trotzdem lohnen Ausflüge und Wanderungen durch den dichten Wald, schmale, steile Serpentinen winden sich die Berge empor. Immer wieder eröffnen sich gigantische Ausblicke auf den strahlend blauen Ozean, der zur Küste hin in allen erdenklichen Türkistönen leuchtet.

Postkartenmotive finden sich auf den Seychellen überall. Auch im Wald, der zahlreiche interessante, endemische Pflanzen- und Tierarten beheimatet. Allen voran die Coco de Mer: Jene Palme, deren Nüsse an ein geschwungenes, weibliches Becken erinnern. Bis zu 20 Kilogramm können die Früchte wiegen, die einst bei den Herrschern Indiens und der Malediven sehr beliebt waren.

An deren Küsten wurden immer wieder diese Nüsse angespült, Sagen und Legenden rankten sich um die geheimnisvolle Frucht. Lange glaubte man, sie stamme von einem riesigen Baum im Meer. Wer die Coco de Mer in ihrer ursprünglichen Form sehen will, setzt mit dem Boot zur Nachbarinsel Praslin über. Im Vallée de Mai ist noch heute prähistorischer Urwald zu finden, in dem rund 5000 dieser Palmen wachsen. Verwunschene Pfade führen durch das grüne Dickicht, mehrere Quadratmeter große Blätter dämpfen das Sonnenlicht. Der Boden ist feucht, oft schlammig, riesige Pfützen liegen wie stille Seen im Dschungel, Dunst steigt auf. Mystisch. Romantisch.

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts blieben die Seychellen unbesiedelt, dann kamen die ersten Europäer. 1756 annektierte Frankreich den Inselstaat, 1811 siegten die Briten — die Seychellen wurden Teil der Kolonie Mauritius. Erst 1976 erfolgte die Unabhängigkeit der rund 88 000 Einwohner zählenden Republik. Was in den 30er-Jahren noch Verbannungsort für politische Gegner der britischen Kolonialmacht war, ist heute ein Urlaubsparadies, das seinesgleichen sucht.

Besucher finden bezahlbaren und unerschwinglichen Luxus, Hotels und Lodges liegen an absoluten Hotspots des Archipels. Wenn sie nicht sogar eine komplette Insel in Beschlag nehmen. Denn viele Eilande sind so klein, dass gerade einmal ein Resort mit seinen paar Bungalows darauf passt.

Dazu gehört auch der Luxus der Einsamkeit. Echtes Robinson-Crusoe-Feeling ohne störende Geräusche und Lichter, die dem sternenklaren Nachthimmel dazwischen funkeln könnten.

Auf Mahé gibt es durchaus bezahlbare Unterkünfte und wer es nicht ganz so einsam will, bekommt auch gleich einen Einblick in den Alltag der Inselbewohner, ihre Kultur und Küche: Kreol. Es ist eine Mischung aus europäischen, asiatischen und afrikanischen Einflüssen, vor langer Zeit eingeschleppt von Piraten, Seefahrern, Kolonialherren, Händlern und Sklaven. Aber auch heute noch bringt jeder etwas mit und lässt etwas zurück. Auch die Urlauber.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Etihad Airways.