Wo die Spione lauschten - Auf dem Berliner Teufelsberg
Berlin (dpa/tmn) - Die alte Radarstation auf dem Teufelsberg war jahrelang Sperrgebiet. Von hier aus hörten die Amerikaner im Kalten Krieg den Ostblock ab. Nun bietet ein ehemaliger US-Soldat Führungen über das Gelände an.
Ein Ausflug in den Berliner Grunewald.
Wer Mut hat, schaut runter. Doch für den Anfang muss der Blick geradeaus genügen. Kilometerweit grüne Baumkronen. Dahinter das Olympiastadion, rund und winzig klein. Dann wieder grüne Fläche, die hinten am Horizont den Himmel zu treffen scheint. Man hat einen schönen Blick von der weißen Kuppel, dem höchsten Punkt der alten Radarstation auf dem Berliner Teufelsberg. Aber der Blick ist riskant: Einen Schritt nach vorne und man fällt durch das Loch in der Fassade 26 Meter in die Tiefe.
In der weißen Kuppel ist das Licht dämmrig. Der Raum ist etwa so groß wie der Mittelkreis in einem Fußballfeld. Weiße Plane formt das runde Dach. Es ist in Rauten zusammengenäht und erinnert an einen Fußball. An einer Stelle hat jemand in die Außenhaut der Kuppel ein Loch geschnitten. Es ist so groß wie eine Tür.
Diese weiße Kuppel und ihre Schwestern auf der alten Radarstation sind eines der Wahrzeichen von Berlin. Wer mit dem Flugzeug anreist, sieht die Fußbälle im Grunewald schon bei der Landung. Anders als um die Siegessäule oder das Brandenburger Tor rankten sich um dieses Wahrzeichen viele Geheimnisse: Das Gelände auf dem Teufelsberg im Grunewald war jahrelang militärisches Sperrgebiet. Von hier oben wurde im Kalten Krieg der gesamte Ostblock ausspioniert. Seit einiger Zeit gibt es Touren auf dem Gelände.
Rund 30 Menschen sind an diesem Tag an den S-Bahnhof Grunewald gekommen, wo die Touren starten. Es sind Berliner dabei, aber auch Touristen aus dem Ausland. Sie scharen sich um einen älteren Herrn mit Panama-Hut. Nach 20 Minuten Fußmarsch durch den Grunewald steht die Gruppe vor einem eisernen Fabriktor. Die „Field Station Berlin“ ist erreicht.
Der Teufelsberg im Grunewald ist mit seinen rund 115 Metern deutlich höher als der Rest von Berlin. Der Berg entstand nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Trümmern der zerbombten Stadt. Die „Field Station Berlin“ auf dem Teufelsberg wurde Anfang der 50er Jahre errichtet. Während des Kalten Krieges stellten Briten und Amerikaner dort Radaranlagen auf. So konnten sie die Kommunikation im Osten abhören.
„Rund 300 Kilometer weit konnte man von hier aus lauschen“, erzählt Christopher McLarren, der Mann mit dem Panama-Hut. Die Protokolle der Abhörstation seien deshalb von großem Interesse gewesen. Denn von kaum einem anderen Ort konnte man so weit ins Land des Feindes hören.
Heute lässt sich nur noch erahnen, wie die Abhörstation einmal ausgesehen hat. Am Fabriktor muss jeder einen Zettel unterschreiben. Darauf steht, dass der Veranstalter bei Unfällen keine Haftung übernimmt. Dann geht es um eine Biegung - und plötzlich steht man vor den Ruinen: Die Fenster der Häuser sind zerschlagen und die Wände mit Graffiti besprüht. „Ich kenne die Gebäude noch“, sagt McLarren. „Aber ich erkenne sie nicht mehr.“
Nach dem Ende des Kalten Kriegs stand die alte Radarstation zunächst leer. 1995 kaufte eine Investorengruppe aus Köln das Gelände. Sie wollte dort Eigentumswohnungen bauen. Doch die Berliner protestierten: Sie wollten nicht, dass mitten im Wald ein Neubaugebiet entsteht. Die Stadt entzog den Investoren daraufhin die Baugenehmigung. Nun passiert seit ein paar Jahren eigentlich nichts.
Vom Innenhof geht die Tour weiter in den höchsten Turm der Radarstation. Überall liegen Müll und Scherben. Doch von Stockwerk zu Stockwerk werden die Graffiti spektakulärer. Eine Frau mit einer Pusteblume in der Hand ziert eine ungefähr drei Meter lange Wand. Gleichzeitig wird die Aussicht immer besser. Dazwischen geht es immer wieder in das dunkle Treppenhaus.
In der Kuppel angekommen, sitzen alle Besucher erschöpft auf Steinen. Der Mann mit dem Panama-Hut schaut zufrieden aus dem Loch in der Fassade. Christopher McLarren ist 65 Jahre alt und Amerikaner. Von 1973 bis 1975 hat er auf der Abhörstation als Auswerter gearbeitet. Seine Aufgabe war es, die abgehörten Protokolle zu sichten - und zu entscheiden, welche von ihnen in die Zentrale nach Washington geschickt werden. „Es war Puzzlearbeit“, sagt er. Details über die abgehörten Informationen will er nicht erzählen.
Stattdessen berichtet er viel aus dem Leben der Soldaten, die hier arbeiteten. Er erzählt von Arbeitstagen, die nicht sonderlich hart waren, vom guten Kantinenessen und von der verschworenen Gemeinschaft, die die Veteranen des Teufelsbergs heute noch sind.
Dann geht es aus dem Turm zurück auf die Erde. Langsam steigt die Gruppe durch das dunkle Treppenhaus wieder hinab. Einen letzten Blick in die Stockwerke mit ihren Graffiti-Kunstwerken. Dann stehen alle wieder auf dem Vorplatz. Dort erinnert noch eine Getränkepreisliste an die Partys vergangener Tage.