Wunschmaschine Kevelaer: Auf Glückssuche im Wallfahrtsort
Kevelaer (dpa/tmn) - Kevelaer ist ein Touristenort der etwas anderen Art. Wer hierherkommt, erhofft sich nicht bloß neue Eindrücke, sondern oft sehr konkrete Hilfe: „Wir wollen wieder glücklich sein.“
Jörg Haese ist eine Gestalt, die man so nicht unbedingt im Wallfahrtsort Kevelaer erwarten würde. Mit vor der Brust verschränkten tätowierten Armen steht er vor seinem Tattoo-Shop im historischen Ortskern. Schottenkilt, Rübezahl-Bart und schwarze Melone sind weitere Accessoires, mit denen er Distanz zum normalen Wallfahrtsbetrieb signalisiert. Doch Pilger sind auch ihm willkommene Kunden. „Vor allem junge Pilger finden den Weg hierher“, sagt er. Denen tätowiert er Kreuze oder Marienfiguren auf Arme und Rücken. Ganz nach Wunsch.
Kevelaer am Niederrhein ist einer der größten deutschen Wallfahrtsorte. Die Zahl der Besucher wird von Rainer Killich, dem Geschäftsführer der Kevelaerer Wallfahrt, auf jährlich 800 000 bis zu einer Million geschätzt. „Mit dieser Größenordnung ist Kevelaer nach Altötting wohl die Nummer 2 in Deutschland.“
Zentrum des Wallfahrtsortes ist eine kleine Kapelle. Außen ist sie unscheinbar, innen mit viel Gold und Pomp ausgestattet. In krassem Gegensatz dazu steht das Heiligtum selbst: Verehrt wird ein gerade mal fingergroßes, stark verblichenes Schwarzweißbild von Maria aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Unter dem „Gnadenbild“ befindet sich ein Schlitz zum Münzeinwurf mit dem Hinweis: „Für Wallfahrtsseelsorge (z.Hd. des Pfarrers)“ Immer, wenn jemand ein 50-Cent-Stück oder einen Euro einwirft, hört man es klimpern. Fast erwartet man, dass Maria einem nun zuzwinkert. Aber es passiert nichts.
Viele Pilger betrachten Kevelaer als eine Wunschmaschine. In der benachbarten Kerzenkapelle liegt ein Buch aus, in das sie ihre Wünsche eintragen. „Lieber Gott“, steht da, „hilf uns. Wir haben es im Moment wirklich nicht leicht, vor allem finanziell gesehen. Hilf uns, eine andere Wohnung zu finden. Wir wollen wieder glücklich sein.“
Eins ist sicher: Das wundertätige Wirken Mariens ist ein handfester Wirtschaftsfaktor. Kevelaer betreibt ein Merchandising, von dem sich manch anderer Touristenort noch etwas abgucken kann. Selbst der Thai-Imbiss hat eine Marienstatue im Schaufenster stehen. Mehrere Geschäfte sind auf den Verkauf von Heiligenfiguren, Engeln und Weihnachtskrippen spezialisiert. „Die Wallfahrer nehmen auch im Sommer Krippenfiguren“, berichtet Verkäuferin Christa Maiweg aus „Bauer's Erzgebirgs Stube“.
Man kann hier 5000 Euro für eine einzelne Figur ausgeben. Manche Familien kommen jedes Jahr in der Adventszeit wieder und suchen dann gemeinsam eine neue Figur aus. „Niederländer kommen auch, die nehmen meist was aus dem niederpreisigen Bereich.“ Riesig ist das Sortiment an Krippenzubehör - von Palmen, Kamelen und Elefanten bis hin zu flackernden Lagerfeuern und Toilettenhäuschen. Die Heilige Familie muss offenbar auch mal.