Corona-Impfung Erst Piks, dann Post: Experten raten zur Vorsicht bei Impfpass-Fotos

Aus Freude über einen schützenden Piks landen Fotos von Impfpässen nach Impfungen beim Hausarzt oder im Impfzentrum immer wieder im Internet - doch Kriminelle können genau solche Fotos der gelben Impfbücher nutzen. Datenschützer sehen noch weitere Risiken.

Experten raten zur Vorsicht bei Impfpass-Fotos.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Auf den ersten Piks folgt in diesen Tagen nicht selten ein Post: „Es ist vollbracht“, heißt es am 8. Februar im Chat einer Hagener Familie. Anlass ist die erste Covid-19-Impfung der 92 Jahre alten Ur-Omi Elisabeth. Kinder, Enkel und Urenkel feiern die Nachricht - der etliche ganz ähnliche folgen. „Erfolgreich gepikt worden“, wird im Chat vermeldet. „Wir machen auch mit“, tut ein Enkel kund. „Bähm, erledigt“, schreibt der nächste. Fast immer mit dabei: ein Foto des gelben Impfpasses mit Eintrag und Aufkleber zur Impfung.

Wer hätte gedacht, dass der oft jahrelang in Schubladen verschollene Impfpass mal zu einem der beliebtesten Fotomotive in Deutschland werden würde. Freunde und Verwandte zeigen mit einer Aufnahme des Covid-19-Impfeintrags Solidarität mit der Impfkampagne oder wollen schlicht mitteilen: Ich hab's geschafft, ich bin mit einer ersten oder schon zweiten Dosis geschützt. So mancher beschränkt sich bei dieser Botschaft allerdings nicht auf den engsten Familien- und Freundeskreis, sondern wählt mit einem Eintrag in Sozialen Medien gleich mal den großen Verteiler. Doch das hat Tücken.

„Wenn geimpfte Personen ein Foto ihres Impfpasses im Internet veröffentlichen, dann kann das Kriminellen als Vorlage dienen“, sagt der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, Johannes Caspar, der Deutschen Presse-Agentur. Den geimpften Personen entstehe daraus zwar nicht unmittelbar ein Nachteil. Doch Betrüger können die Chargennummern des Impfstoffes, Stempel und Arzt-Unterschriften nutzen, um gefälschte Impfpässe herzustellen, die dann auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden. In Zeiten, in denen mehr und mehr Bundesländer Freiheiten mit vollständigen Impfnachweisen verbinden, bieten sich Kriminellen so offenbar lukrative Geschäfte.

Tatsächlich wurden zuletzt immer wieder Berichte über gefälschte Impfausweise bekannt. Das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ berichtete etwa kürzlich über gefälschte Pässe, die mit dem Stempel des Impfzentrums Frankfurt am Main im Umlauf waren. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) als Betreiber des Zentrums erstattete daraufhin Anzeige gegen unbekannt. Auch das Landeskriminalamt in Niedersachsen machte vergangene Woche einen Fall publik und warnt: „Das Herstellen und Vertreiben, aber auch die Nutzung solcher gefälschten Impfpässe ist strafbar.“ Laut dem LKA in Hannover werden die Pässe für 99 bis 250 Euro etwa über den Messengerdienst Telegramm angeboten.

Die öffentliche Verbreitung der Chargennummern ist laut Caspar noch aus einem weiteren Grund problematisch: Denn mit dieser Nummer können Impf-Nebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet werden. Kriminelle könnten so falsche Angaben zu Impf-Nebenwirkungen in Umlauf bringen. „Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse anhand von im Internet verfügbaren Chargennummern manipuliert werden können, schadet dies der Pandemiebekämpfung insgesamt“, sagt Caspar.

Das Bundesgesundheitsministerium und Datenschützer raten daher zur Vorsicht, Impfpass-Fotos im Netz zu teilen. „Überlegen Sie es sich gut, was Sie wirklich teilen möchten, bevor Sie einen Post absetzen. Was einmal im Internet oder in Sozialen Medien steht, lässt sich in der Regel nicht wieder zurückholen“, sagt die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte, Barbara Thiel.

Caspar gibt zu Bedenken, dass nicht nur Freundinnen und Freunde die Impfpass-Posts sehen - sondern auch die Betreiber von sozialen Netzwerken und Messengerdiensten selbst. „Die Betreiber solcher Plattformen werten die erkennbaren Eigenschaften einer Person in der Regel aus, um werberelevante Rückschlüsse zu ziehen und diese weiterzuverkaufen“, erklärt der Datenschützer. In Zusammenhang mit der Impfpriorisierung könnten so gerade bei jüngeren Menschen Rückschlüsse auf ernste Vorerkrankungen gezogen werden.

Statt im Netz sollte das gelbe Impfbuch Experten zufolge daher eher an sicherer Stelle verwahrt werden - etwa mit anderen wichtigen Unterlagen wie dem Reisepass oder der Geburtsurkunde. Dass Impfpässe bei Patienten verschwinden, komme immer wieder mal vor, berichtet der Vorsitzende des hessischen Hausärzteverbandes, Armin Beck. Eine Nachfrage nach neuen Pässen wegen den Corona-Schutzimpfungen sei in den Hausarztpraxen bislang aber nicht erkennbar. Das liege auch daran, dass die Pässe bei den regelmäßigen Gesundheitsuntersuchungen der gesetzlich Krankenversicherten über 35 Jahren mitüberprüft würden, sagt Beck. „Die, die keinen haben, fallen da sowieso auf.“

Der Impfpass wird üblicherweise mit der ersten Impfung im Kindesalter ausgestellt. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) besitzen neun von zehn Menschen in Deutschland einen Impfpass. Zuletzt sind bei der Behörde viele Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern eingegangen, die ihren Impfpass nicht finden konnten und fragten, ob sie dennoch gegen Covid-19 geimpft werden können. „Wer seinen Impfpass verloren hat oder keinen Impfpass besitzt, erhält für die Corona-Schutzimpfung eine Impfbescheinigung oder kann in der Arztpraxis einen neuen Impfpass erhalten“, sagt der Kommissarischer Direktor der BZgA, Martin Dietrich.

Helfen könnten künftig auch ein fälschungssicherer digitaler Impfpass. Nach Plänen der Bundesregierung soll es Menschen in Deutschland noch vor den Sommerferien möglich sein, einen vollständigen Corona-Impfschutz unkompliziert mit einer Smartphone-App nachzuweisen. Durch einen solchen schnellen und fälschungssicheren Nachweis könnten dann bestimmte Grundrechte - etwa für Urlaubsreisen - wieder in Anspruch genommen werden.

(dpa)