Florence Hervé: Eine Rebellin wie Pippi Langstrumpf

Die Autorin Florence Hervé kämpft seit vielen Jahren für menschliche Solidarität. Heldenhaft ist für sie, sich nicht anzupassen.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Sie liebt Abenteuer, ist frei, unangepasst und eine kleine Rebellin. Deshalb war Pippi Langstrumpf die unangefochtene Heldin der kleinen Florence Hervé. „Bei uns hieß sie übrigens Fifi Brindacier“, sagt die Autorin und Publizistin, die in Frankreich geboren und aufgewachsen ist. Mit der Zeit wurde Pippi dann abgelöst. Von Juliette aus der Erzählung „Die Liebenden von Avignon“, einer jungen Stenotypistin, die während der Nazibesetzung zur Verbindungsagentin der Résistance wird.

„Weil sie als eine Frau des Alltags das Graue und die Unterdrückung nicht akzeptiert“, begründet Hervé. Auch eine Rebellin also. Zufall? Keineswegs, denn auch die Autorin selbst war Zeit ihres Lebens unangepasst, kritisch, lieber Indianer als Cowboy.

Ein Charakterzug, die im Geist der 1950er wurzelt. „Unsere Kindheit war in Schule, Familie und Gesellschaft von ‘männlichen Helden’ geprägt“, erzählt sie. Frauen hätten damals vor allem eine Aufgabe erfüllt: ihre Männer zu unterstützen. Nichts Verwerfliches zwar, jedoch zu wenig, als dass sich Hervé damit hätte zufriedengeben können. Sie wollte eben mehr als die Familienfrau sein. Fortan setzte sie alles daran, für die Emanzipation der Frauen zu kämpfen. Nachdem sie Mitte der 1960er mit ihren zwei Kindern nach Deutschland gezogen war, engagierte sie sich unter anderem im Studentenbund SDS und in der Internationalen Frauenbewegung.

Das war nicht immer leicht. Erst konnte sie ihr Studium in Deutschland nicht fortsetzen. Im Studentenbund arbeitete sie mit Frauen, die trotz hervorragender Qualifikationen Kaffee kochten und Flugblätter tippten. Und mit der Zahl ihrer feministischen Publikationen wuchs auch die Anzahl der Kritiker. Für Hervé jedoch kein Grund, sich entmutigen zu lassen. Schließlich lässt sich auch ihre literarische Heldin Juliette nicht unterkriegen. „Sie kämpft für das Leben und die Liebe und verteidigt die Freiheit, sie vereint private und politische Welt und wählt den aufrechten Gang“, sagt Hervé. Eine starke Figur, die sie manches gelehrt hat.

Und ihre Definition des Heldentums bis heute prägt. Obwohl sie sich mit dem Begriff eigentlich schwer tut. „Zum einen hört man selten die weibliche Form ‘Heldin’, zum anderen wirken Helden und Heldinnen oft unerreichbar“, begründet sie. Wer jedoch unangepasst sei, für seine Würde streitet und Solidarität mit anderen Menschen zeigt, der könne durchaus als Held oder eben als Heldin bezeichnet werden. In der Literatur genauso wie in der Realität.

Dort übrigens heißen ihre Heldinnen Clara Zetkin und Simone de Beauvoir. „Clara Zetkin hat sich eingesetzt für die Erwerbstätigkeit der Frauen, außerdem ist sie Initiatorin des Weltfrauentags und Vorreiterin des feministischen Denkens“, erläutert Hervé. Dieser Geist wiederhole sich bei Simone de Beauvoir. Und irgendwie auch bei Pippi Langstrumpf, wenn ich in kindlich-naiver Form. So ist aus der Buchheldin der Kindheit am Ende ein Vorbild für ein ganzes Leben geworden.