„Kapital sollte schon vorher da sein“

Lisa Henke berät Existenzgründer und junge Firmen bei ihren Schritten in die Selbstständigkeit. Ein Gespräch über Chancen und Tücken unternehmerischer Freiheit.

Düsseldorf. Kurz vor dem Start der Gründerwoche in Deutschland vom 18. bis 24. November startet am Freitag der Gründergipfel NRW im Station Airport Düsseldorf. Allein in der Landeshauptstadt wurden 2013 in der Gewerbemeldungsstatistik 6890 Neugründungen erfasst. Doch damit aus dem Traum, sein eigener Chef zu sein, kein Alptraum wird, gibt es viele Berater, die Interessenten vor dem Schritt in die Selbstständigkeit betreuen. Eine Expertin ist Lisa Henke.

Frau Henke, Sie sind Unternehmensberaterin mit dem Schwerpunkt Unternehmensgründung. Haben Sie vor Ihrer Selbstständigkeit einen Gründercoach aufgesucht?

Henke: Leider nicht. Mit dem Wissen von heute hätte ich es mit Sicherheit gemacht — das sage ich nicht, weil ich selber Beraterin bin, sondern weil auch ich seinerzeit typische Anfängerfehler gemacht habe, die unnötig Zeit und Kraft gekostete haben.

Welchen Service halten Sie für Gründer bereit?

Henke: Wir bieten umfassende Beratung und Coaching zu allen Themen rund um die Existenzgründung wie z. B. Fördermöglichkeiten, Marktanalysen, Marketing- und Vertriebsstrategien. In Kooperation mit den Wirtschaftsförderungen bieten wir dazu Seminare und Workshops an, in denen Grundlagenwissen für Startups vermittelt wird. Zu unserem Beraterteam gehören außerdem ein Rechtsanwalt, Steuerberater, Webdesigner und Grafikdesigner.

Welche Kompetenzen sollte ein Gründer mitbringen?

Henke: Das Wichtigste sind Branchenkenntnisse, sonst wird man vom Wettbewerb überrannt. Wenn die Erfahrung nicht da ist, wird es eng, denn der Kunde muss einem glauben, dass man Erfahrung hat und Kompetenz vermittelt. Das Zweite ist der Vertrieb — wie zieht man überhaupt einen Kunden an Land? Und als Drittes: Die Finanzdecke muss stimmen. Gerade in der Startphase hat man maue Zeiten, und bis das Geschäft sich trägt, kostet es sogar Geld. Von daher, ein bisschen Kapital sollte absolut vorhanden sein.

Woher bekommt man diese Kompetenzen und wann sollte man zur Beratung gehen?

Henke Sobald man weiß, dass man sich selbstständig macht, auf jeden Fall aber im ersten Jahr, weil hier die Stolperfallen auftreten — falsche Werbung, falsche Zielgruppe, kein Alleinstellungsmerkmal, schon findet man keine Kunden und dann ist es einfach vorbei. Es gibt auch viele kostenlose Angebote, beispielsweise bei den Wirtschaftsförderungen. Die IHK Düsseldorf etwa macht einen tollen Job. Auch Gründerseminare sind eine kostengünstige Variante, um erstes Wissen zu erhalten.

Existenzgründer

in Düsseldorf

Was ist ein No-Go für einen Gründer?

Henke: Aus meiner Erfahrung sind das Gründungen, die aus dem Bauch heraus geschehen, ohne jeglichen Plan. Das geht in der Regel schief. Wer aus der Not allein gründet, ist oftmals schlecht beraten. Wenn die Marktkenntnisse fehlen - was brauchen die Kunden? Wie muss ich am Markt auftreten? — dann wird kein Schuh draus.

Inwiefern muss man eigentlich als Beraterin auch eine gute Psychologin sein?

Henke: Sicherlich zu 50 Prozent. Mut machen, wenn etwas richtig in die Hose gegangen ist. Wir haben zum Beispiel ein Notfall-Handy, auf dem uns die Gründer anrufen können, wenn es pressiert, auch am Wochenende oder spätabends. Und es pressiert gerade am Anfang häufig. Man muss auch den Mut haben, zu sagen: „Bis hierhin und danach eben nicht weiter“, wenn der eingeschlagene Weg in eine Sackgasse führt. Das ist übrigens einer meiner Hauptjobs, Start-Ups zu ermutigen, ein konsequentes „Nein“ zu setzen, wo es angebracht ist.

Welche Fragen sollten sich Gründer stellen, bevor sie sich in dieses Wagnis stürzen?

Henke: Die wichtigste Frage: Bin ich ein Unternehmertyp? Darüber hinaus: Reichen meine Marktkenntnisse, braucht der Markt mich überhaupt? Und — wie gehen sie mit Zurückweisungen um? Als Unternehmer kann man nicht Everybody’s Darling sein. Was mache ich, wenn ein Kunde nicht bezahlt, die Miete aber fällig ist? Mache ich meine eigenen Rechnungen nicht mehr auf oder gehe ich aktiv nach vorne und spreche mit der Bank?

Wer hat es leichter, sich auf dem Markt zu etablieren. Das hochinnovative, von Wissenschaftlern geleitete Start-Up oder der klassische Handwerksbetrieb?

Henke: Grundsätzlich bringen die hochinnovativen Ideen die Wirtschaft voran. Aber oft sind es kleine Gründungen, die eine Bereicherung darstellen. Von der Praxisseite her sage ich, wenn Sie die knackige Idee haben, was der Markt in dieser Form noch nicht hat, dann bin ich dabei, auch wenn es der zehnte Friseursalon auf der Ackerstraße ist. Verdienen kann man auch heute noch, wenn man genau hinguckt, was der Markt will.