Kunst-Protest per Hungertuch

Vor dem Barmer Rathaus nähten bergische Künstler ein XXL-Protest-Tuch gegen die Sparpolitik des Landes.

Wuppertal. Nager sind ... ja, bitte? Richtig, Maus, Ratte, Hamster und natürlich alle Menschen, die nach dem tierischen Vorbild an etwas nagen. Zum Beispiel am Hungertuch. In dem Fall allerdings liege ein falsches Wortverständnis vor, sagt Petra Pfaff, 1. Vorsitzende des Vereins Kunstfluss Wupper- regioArte. "Am Hungertuch nagen" bedeute nämlich ursprünglich "am Hungertuch nähen". Und gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Rainer Grassmuck sitzt Pfaff am Samstagvormittag vor dem Rathaus Barmen und sieht zu, wie ihre Kunstgenossen aus dem Bergischen genau das tun: Ein Hungertuch nähen, als vieldeutiges Zeichen des Protests.

Eigentlich ist dies religiösen Ursprungs: Das Palmtuch, auch Schmachtlappen genannt, dient laut Pfaff in der Fastenzeit dazu, das Bild Jesu zu verdecken. Das "Hungertuch XXL", das am Samstag vor dem Rathaus entstand, hat demnach doppelte Bedeutung: Zum einen greift es das geläufige Missverständnis auf und zeigt, dass es den Künstlern im bankrotten bergischen Städtedreieck miserabel geht. Zum anderen soll es nach Angaben der Protest-Organisatoren symbolisch den Blick auf die Passion, also das Leiden der Politiker verhängen. Denen geht es schließlich auch nicht gut mit all dem, was sie den Bürgern servieren müssen - gerade in Wahlkampf-Zeiten.

Ist da Sarkasmus im Spiel? Gleich vor den nagenden Künstlern haben am Samstag nämlich die politischen Parteien ihre Stände aufgebaut und plaudern mit den Menschen, auf deren Stimme sie hoffen. Peter Hintze (CDU) weiß sehr wohl zu beantworten, was die Kulturschaffenden hinter ihm treiben. Es sei das Schöne an der Demokratie, dass jeder seine Meinung auf unterschiedlichste Weise zum Ausdruck bringen könne, sagt er. Aber gibt er der Aktion eine Chance? Hintze atmet nur tief durch.

Dabei will der Verein Kunstfluss erst einmal nur eines: den Protest bündeln. So hat er Künstler dazu aufgerufen, Hungertücher von der Mindestgröße 20 mal 20 Zentimeter zu entwerfen, die nun im Sinne der Bündelung verknüpft und gestern nach Düsseldorf zur landesweiten Protestveranstaltung "Der letzte Schrei" gebracht wurden.

Drastische Darstellungen sind dabei, so zwei tanzende Skelette der Leverkusenerin Ellen Loh-Bachmann. Vorbild seien die mexikanischen Totensonntag-Darstellungen, sagt sie, die möge man in Deutschland eigentlich nicht, aber hier und heute würden sie den Wuppertalern gefallen. Denkwürdig ist dazu der Spruch eines anderen Tuchs: "Ich würde die Sau rauslassen, wenn ich eine hätte."