Leben im Denkmal (6): Ein Risiko, das sich gelohnt hat
Annelie Rottensteiner lebt im ehemaligen Gut Schaffstal wie auf dem Land — mitten in der Stadt.
Brill. Ein Leben auf dem Land — mitten in der Stadt? „Das habe ich mir immer gewünscht. Aber ich musste sogar selbst lachen, so unwahrscheinlich klang das damals für mich“ , erinnert sich Annelie Rottensteiner. Doch wer die 49-Jährige heute besucht, mit ihr einen Kaffee im Garten trinkt und die Ruhe genießt, merkt: Sie hat es geschafft. Mitten im Briller Viertel, das sonst bekanntlich eher durch seine Villen beeindruckt, hat Rottensteiner ihr Paradies gefunden: das ehemalige Gut Schaffstal, ein Fachwerkhaus, dessen Ursprünge auf den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückgehen.
Für Rottensteiner war es vor sechs Jahren ein Zufalls-, der zum Glückstreffer wurde. „Ich hatte die Annonce bei einem Makler im Fenster gesehen und mich direkt auf die Socken gemacht.“ An der Funckstraße sah sie sich aber großer Konkurrenz gegenüber.
„Halb Wuppertal muss sich das Haus angeguckt haben. Jedenfalls sagen viele Leute auch heute noch, wenn sie erfahren, wo ich wohne: ,Ach, da war ich auch mal drinnen.“ Getraut hat sich am Ende nur die Yogalehrerin. „Es war schon ein großes Risiko. Drei Jahre hatte das Haus leer gestanden.“ Befreundete Handwerker gaben schließlich den Segen. „Die haben gemeint: Die Substanz ist gut. Da habe ich nicht lange überlegt.“
Wieviel sie in die Renovierung gesteckt hat, will sie nicht verraten. Ein Blick auf die Fotos lässt erahnen. So ganz einfach war es nicht. „Das war mehr eine Sanierung.“ Außerdem werde man in einem Denkmal ohnehin nie fertig. „Da ist immer was zu tun. Zuletzt mussten wir eine Wand neu verputzen, da bröckelte einiges.“ Das habe Lehm nun mal an sich, „da lebt alles“.
Wer damit nicht klar komme, dürfe gar nicht erst über ein Denkmal nachdenken. „Man muss es lieben.“ Ob das Knarren der Dielen, selbst wenn sich jemand in einem ganz anderen Raum bewegt; oder der dunkle Kohlenkeller, der sich nur mit einer gewissen Athletik über eine Leitertreppe betreten lässt — die 49-Jährige liebt es. „Das ist doch wunderschön“, sagt sie bei der Führung immer wieder. Ihr Lieblingsplatz — der Yogaraum — riecht schon beim Reinkommen lecker. „Das macht der Ofen. Gemütlich, oder?“
Dass man sich bei allen Arbeiten am denkmalgeschützten Bau an Vorgaben halten muss, hat Rottensteiner akzeptiert. „Bei der Sanierung war das eh kein Problem, weil wir schon freiwillig auf althergebrachte Methoden gesetzt haben.“ Allerdings gebe es auch Nachteile. „Ich würde so gerne einen Wintergarten anbauen.“ Dem Vorhaben erteilte das Denkmalamt allerdings eine Absage.
Ob mit oder ohne Wintergarten — Rottensteiner ist stolz auf ihr Haus. Früher habe man es sogar von der Katernberger Straße aus sehen können. „Jetzt ist es halt ein verstecktes Kleinod.“ Das Risiko habe sich jedenfalls gelohnt.