Rotstift-Rambos im Rathaus
Warten Sie hier, Sie werden platziert.“ So funktionierte sozialistische Planwirtschaftsgastronomie zu DDR-Zeiten. Ein Kellner bewachte den Eingang, damit ja keiner der potenziellen Gäste auf die Idee käme, Dienstleistung dann zu beanspruchen, wenn bei ihm eine Nachfrage entstanden war.
„Sie werden platziert“ hieß, „ich sage, wann Sie was zu essen bekommen, nicht Sie und schon gar nicht Ihr Hungergefühl.“ So war das in der DDR. Der Staat erzog seine Bürger. Ein Glück, dass diese Zeiten vorbei sind. Zumindest fast.
In Wuppertals Stadtverwaltung leben sie derzeit wieder ein wenig auf. Das Einwohnermeldeamt am Steinweg ist personell an die Grenze der Leistungsfähigkeit gespart worden. Auf den Trottoirs campieren Einwohner, die dringend Pässe und Ausweise benötigen, weil sie sonst nicht in die Heimat oder in die Ferien fahren können. Das Problem ist seit Wochen bekannt, aber behoben ist es nicht. Nun werden die üblen Folgen der Fehlplanung auf die Stadtbezirke verlagert. Dort schließt die Stadt ihre Bürgerbüros und delegiert das Personal ins Einwohnermeldeamt. „Sie werden platziert“ gilt also auch für Bedienstete des Rathauses. Herzliches Beileid.
Das Krisenmanagement der Wuppertaler Verwaltung wirkt fast trotzig. Die Bürger sind schließlich selbst schuld, wenn sie mit dem Beantragen eines Dokumentes immer bis auf den letzten Drücker warten. Mit anderen Worten: Dienstleistung soll gefälligst dann nachgefragt werden, wenn der Dienstleister in der Lage und gewillt ist, seinen Dienst zu leisten. Mit moderner Verwaltung hat das nichts zu tun.
Das ist umso bemerkenswerter als das Einwohnermeldeamt die Visitenkarte einer Stadt ist. Hier müssen sich schließlich auch jene jungen Familien anmelden, für die überall in Wuppertal Reihenhäuser und Doppelhaushälften wie Pilze aus dem Boden schießen. Wenn sie stundenlang auf ihre Meldebescheinigung warten müssen, werden die Neubürger ihr Ja zu Wuppertal schnell bedauern, zumindest vorübergehend.
Leidtragende sind aber nicht nur die Einwohner, die nägelkauend hoffen, dass sie ihre Dokumente bekommen, eher der Flieger gen Süden abhebt. Leidtragende sind auch die Beschäftigten der Stadtverwaltung. Sie müssen die Suppe auslöffeln, die ihnen Rotstift-Rambos im Rathaus eingebrockt haben.