Sinnbild der Korruption: Das „Haremszimmer“ im Rathaus

Wie ein Baldachin in einer Amtsstube eine ganze Dekade prägte.

Elberfeld. Der Baldachin. Sinnbild für Macht, Würde und Reichtum. Herrscher,die Wert auf eine entsprechende Performance legten, nahmen seit dem17. Jahrhundert gerne unter derartigen Zierdächern Platz. EineTradition, die es bis ins Elberfelder Verwaltungshaus schaffte - Mitteder 1990er Jahre. Dort saß ein Abteilungsleiter des Bau-Ressorts anseinem Schreibtisch, während unter der Decke wallende Stoffe fürherrschaftliches Ambiente sorgten.

Weil der Elberfelder Baldachin wie eine Fata Morgana aus "1000und eine Nacht" wirkte, hatte die Amtsstube ihren Spitznamen weg:"Haremszimmer". Und das, obwohl über entsprechende Damenbesuche nieetwas bekannt geworden ist. Der Volksmund ist unerbittlich. Zumal dieWuppertaler Staatsanwaltschaft längst ein kritisches Auge auf den offenzur Schau getragenen Prunk einzelner Mitarbeiter der Stadtverwaltunggeworfen hatte. Das "Haremszimmer" wurde so zum Synonym für die ebensotraurige wie kuriose Rathaus-Korruption in Wuppertal der 1990er Jahre.

Damalssollen viele Mitarbeiter der Wuppertaler Bauverwaltung regelmäßig dieHand aufgehalten haben. Sachleistungen und Schmiergeld zahlten vorallem mittelständische Handwerker, die sich so städtische Aufträgeerhofften. Die Fahnder listeten 630 Beschuldige auf und beziffertenden Schaden durch fehlenden Wettbewerb und überteuerte Rechnungen aufumgerechnet mehr als 7 Millionen Euro. Es folgte Prozess auf Prozess.Mehr als hundert Jahre Knast kamen zusammen. Die Gerichte zeigten sichvor allem gegen die Beamten streng. Die finanzierten mit demSchmiergeld einen aufwändigen und bizarren Lebensstil.

Derdamalige Herr des "Haremszimmers" - den Baldachin hatte eintraditionsreiches Barmer Unternehmen aufgehängt - soll zuweilen inUniform durchs Verwaltungshaus geschlendert sein und behauptet haben,für einen Nahost-Geheimdienst unterwegs zu sein. Außerdem vermutete maneine Pistole in einer der Schreibtischschubladen im "Harmeszimmer".Noch bevor der Mann verurteilt und entlassen wurde, entfernte die Stadtden peinlichen Baldachin - kurz nach Veröffentlichung des Fotos in derWZ. Und sie holte sich einen Großteil der Schadenssumme von Ex-Beamten,Ex-Angestellten und Handwerkern zurück.

Als Reaktion aufden Skandal wurde schließlich eine eigene Antikorruptionsstelle insLeben gerufen. Für die gibt es bislang allerdings noch keinen Spitznamen