Virtueller Stammtisch

Man muss es Jörg Heynkes hoch anrechnen, dass er sich mit vollem Namen zu seinen öffentlichen Äußerungen im Outlet-Streit zwischen Wuppertal und Remscheid bekennt. Es gehört Mut dazu, zur eigenen Meinung zu stehen.

Mut, der leider all denen fehlt, die nur allzu gerne mit dem stellvertretenden IHK-Vorsitzenden am virtuellen Stammtisch Platz nehmen, um das Internet als Plattform für anonyme Rundumschläge gegen die parlamentarische Demokratie und auch die Presse zu nutzen.

Dass dem Wuppertaler Stadtrat mit seiner langlebigen Großen Kooperation eine stärkere Opposition fehlt, das hat die WZ an dieser Stelle schon häufig kritisiert. Die WZ hat aber keine Querverbindungen mit der Situation in den 1990er Jahren hergestellt, als sich die beiden Parteien in einem absurden Rennen um das Oberbürgermeisteramt in eine Parteispendenaffäre verstrickten. Erinnern darf man an solche Verfehlungen der Parteien, aber es gehört sich weder für den Privatmann noch für den Stellvertretenden Vorsitzenden der IHK, dass er die aktuelle Diskussion um das FOC am Döppersberg mit Begriffen wie „geübter Spender von SPD und CDU“anheizt und so Beziehungen zwischen Parteien und Investor andeutet.

Um allen Verschwörungstheorien vorzubeugen: Für den neuen Döppersberg wäre die Belebung der Bahndirektion durch ein Factory-Outlet-Center eine positive Entwicklung. Die Alternative zum FOC wäre ein alter, leerer Kasten am neuen Eingangstor der Stadt.

Die Stadt hat sich die Clees-Gruppe als Investor nicht ausgesucht. Im Gegenteil: Hätte sie nicht wegen ihres Schuldenbergs unter Finanzaufsicht gestanden, sie hätte die Bahndirektion wohl selbst erworben. Es kam jedenfalls keine Begeisterung im Barmer Rathaus auf, als die Schlüssel-Immobilie am Döppersberg von der Bahn in den Besitz der Clees-Gruppe wechselte.

Man könnte den Streit der Nachbarstädte als jüngste Anekdote in Bergisch Pepita abtun. Wäre er nicht ein Musterbeispiel dafür, wie ein politischer Streit eskalieren kann. Beide Seiten fühlen sich im Recht und haben ja auch Recht, weil es bei FOC oder DOC um ureigene Interessen auf ihrem Stadtgebiet geht. Solche Auseinandersetzungen sind langwieriger als Fälle, in denen die Streitenden objektiv Unrecht haben, weil sie Grenzen missachten. Remscheid benötigt das DOC, weil es ansonsten kaum Entwicklungschancen hat. Wuppertal benötigt das FOC, weil sonst der Döppersberg unvollendet bleibt. Mit großer Mehrheit hat der Wuppertaler Rat der Klage gegen das DOC-Projekt in Remscheid-Lennep zugestimmt. Sollte die Klage unberechtigt sein, wird sie vor Gericht scheitern. Das Gleiche gilt für die Remscheider Klage gegen den neuen Döppersberg.

Nur wer jedes Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und die Justiz verloren hat, strickt aus diesem Sachverhalt Verschwörungstheorien. Ein Klageverzicht beider Städte ist genauso möglich wie zwei Klagen, die wirkungslos verpuffen. Die FOC/DOC werden gebaut — oder auch nicht. Sicher ist allein, dass der virtuelle Stammtisch bald schon neue Themen finden wird.

Mit oder ohne Jörg Heynkes.