EU-Politiker zu „Brexit-Helden“: Feiglinge gehen von Bord

Straßburg (dpa) - Feige, verantwortungslos und unpatriotisch: Den führenden britischen Brexit-Befürwortern Boris Johnson und Nigel Farage wird von EU-Politikern vorgeworfen, sich nach der Volksabstimmung aus der Verantwortung zu stehlen.

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„Anstatt einen Plan (für die Austrittsverhandlungen) zu entwickeln, verlassen sie das Schiff“, kritisierte Kommissionschef Jean-Claude Juncker im Europaparlament in Straßburg. „Patrioten gehen nicht von Bord, wenn die Lage schwierig wird - dann bleiben sie.“

Auch etliche EU-Abgeordnete zeigten sich höchst befremdet über die jüngsten Ankündigungen von Johnson und Farage. „Aus meiner Bewertung heraus ist so ein Verhalten schlicht und einfach feige“, sagte der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber. Liberalen-Fraktionschef Guy Verhofstadt sagte: „Die Brexiteers erinnern mich an Ratten, die ein sinkendes Schiff verlassen.“

Londons konservativer Ex-Bürgermeister Johnson hatte überraschend auf eine Kandidatur für die Nachfolge von Premierminister David Cameron verzichtet, nachdem er heftigen Gegenwind aus der eigenen Partei gespürt hatte. Der Europaabgeordnete Farage kündigte wenig später seinen Rückzug von der Spitze der britischen EU-feindlichen Partei Ukip an.

Juncker sagte zur derzeitigen Lage des Brexit-Lagers: „Ich stelle (...) fest, dass die strahlenden Brexit-Helden von gestern die traurigen Helden von heute sind.“ Farage, der weiterhin EU-Abgeordneter ist, nahm nicht an der Debatte teil.

„Ich kenne Boris Johnson nicht, ich kenne aber Nigel Farage, und ich muss sagen, bei dem gefährlichen Maulhelden hat es mich nicht überrascht, dass er sich jetzt erst einmal seiner Verantwortung entzieht“, kommentierte Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms. Linken-Vorsitzende Gabi Zimmer sagte: „Für mich haben sie sich (...) benommen wie Kinder, die zum ersten Mal mit Holzklötzchen spielen, ein Türmchen aufgebaut haben und sich diebisch freuen, wenn dieses Holztürmchen in sich zusammenfällt.“

Zum weiteren Kurs der EU sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk, es sei noch zu früh, um endgültige Schlüsse aus dem Brexit-Referendum zu ziehen. Klar sei aber, dass die Bürger unzufrieden seien - sei es auf nationaler oder auf europäischer Ebene.

Wie Juncker machte er noch einmal klar, dass es mit Großbritannien keine informellen Brexit-Gespräche geben werde. „Wir haben beschlossen, dass es bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Vereinigte Königreich offiziell mitteilt, dass es aus der EU austreten will, keinerlei Verhandlungen geben wird“, sagte er.

Relevant ist dies, weil mit der offiziellen Mitteilung über den Austrittswunsch für Großbritannien die Uhr tickt. Die anderen EU-Staaten könnten dann erzwingen, dass die Brexit-Verhandlungen innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden.