Theresa May - kaum im Amt, schon eine dicke Überraschung

London (dpa) - Theresa May gilt als resolut und durchsetzungsfähig. Wie rigoros sie vorgehen kann, zeigt die neue britische Premierministerin kaum zwei Stunden, nachdem sie im Amt ist.

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Boris Johnson, der prominente Brexit-Wortführer, der Mann mit den weißblonden Strubbelhaaren, wird Außenminister. Eine dicke Überraschung allemal - aber ist das auch eine gute Entscheidung?

Johnson, der zunächst als Favorit für das Premier-Amt galt, hat erst kürzlich das Handtuch geworfen. Der Populist gilt vielen Abgeordneten als sprunghaft, windig und wenig verlässlich.

Doch Frau May hat einen Makel: Zwar feierte das Brexit-Lager vor drei Wochen einen historischen Sieg, Großbritannien soll aus der EU - doch sie selbst plädierte im Wahlkampf gegen den Brexit, gehörte zum Pro-EU-Lager.

Will sie diesen Makel jetzt dadurch wettmachen, dass sie den wortmächtigen Brexit-Mann ins Kabinett holt? Schließlich tritt sie ja als die große Versöhnerin an, die die tiefen Gräben zwischen Brexit-Lager und Pro-EU-Lager bei den Konservativen zuschütten will. Leicht wird das nicht, ob es mit Johnsons Hilfe leichter wird, bleibt abzuwarten.

Doch zunächst geht es an diesem Mittwoch nicht um knallharte Personalfragen, sondern um eine Zeremonie im Palast. Gemeinsam mit Ehemann Philip trifft May am späten Nachmittag im Buckingham-Palast ein. Ein kräftiger Wind weht in London, Regenwolken stehen am Himmel, doch in glücklichen Minuten schaut die Sonne durch - typisch britisches Wetter. Auch die Prozedur zur Amtsübergabe ist very british: Schnell, pragmatisch und ohne Pomp bringen die Briten solche historischen Stunden hinter sich.

Für die 90 Jahre alte Queen ist das ohnehin Routine: May ist schon der 13. Amtsinhaber in Downing Street, den sie ernennt, nach Margaret Thatcher die zweite Frau.

Bei der entscheidenden Prozedur sind die Queen und May unter sich. Laut BBC fragt die Königin: „Wollen Sie eine Regierung bilden?“ Frau May antwortet: „Ja.“ Alles geht zack, zack, reine Formsache, nüchtern, tränenlos. Die Krise bei den Tories ist im Schnelldurchgang beendet, May darf sich in die Arbeit stürzen.

Die hat es aber in sich. Seit Jahrzehnten steht Großbritannien nicht mehr vor einem so großen und derart explosiven Problemgemisch:

- BREXIT: Die Austrittsverhandlungen mit der EU sind das Problem Nummer 1. Ziel ist es, weiterhin den freien Zugang zum EU-Binnenmarkt zu sichern. Doch da beharrt die EU: Das geht nur, wenn auch die Freizügigkeit der Menschen garantiert wird - also die ungehinderte Migration aus EU-Staaten. Das wiederum will May nicht, die schon als Innenministerin eine harte Linie in Sachen Einwanderung vertrat.

- WIRTSCHAFT: Wie groß die Brexit-Risiken sind, führt die Bank of England mit ihrem Krisenmanagement vor Augen. Bereits an diesem Donnerstag dürfte die Zentralbank an der Zinsschraube drehen und den Leitzins senken, um die Konjunktur anzukurbeln. Die akute Brexit-Katastrophe bleibt bisher zwar aus, doch die Stimmung ist düster. Unsicherheit herrscht vor allem am Finanzplatz London.

- SCHOTTLAND: Das könnte zum heißesten Thema ihrer Amtszeit werden. Edinburgh will in jedem Fall in der EU bleiben. Koste es, was es wolle. Zudem verleiht das Brexit-Votum dem Streben nach Loslösung von London neue Flügel. Schon fasst die schottische Regierung ein zweites Unabhängigkeitsvotum ins Auge. 2014 scheiterte ein Referendum nur knapp, das könnte jetzt anders ausgehen. Großbritannien ohne Schottland - das wäre Mays Alptraum.

Und David Cameron? Normalerweise spricht man ja gut über einen scheidenden Premier. Doch bei Cameron ist das anders. „Die Geschichte wird ihn für den einen riesigen Brexit-Fehlschlag in Erinnerung behalten, den größten außenpolitischen Rückschlag seit Suez“, meint der „Guardian“ unerbittlich. Der Mann habe sein Land verraten. Kein freundlicher Abschied.