Bauchweh statt Mathe: Angst vorm ersten Schultag
Köln (dpa/tmn) - Den einen kribbelt der Bauch aus Vorfreude, den anderen vor Übelkeit: Vor der Einschulung packt viele Kinder die Angst. Ein Allheilmittel gibt es dagegen nicht. Schrauben Eltern ihre Erwartungen zurück, können sie aber oft für Entspannung sorgen.
So viele neue Kinder. Ein neues Klassenzimmer. Und was, wenn der Lehrer streng ist und viele Hausaufgaben aufgibt? Nicht alle Kinder blicken euphorisch ihrer Einschulung entgegen. Sie sind nervös, manche plagen viele Ängste und Sorgen. „Schulangst ist keine Diagnose, sondern ein Symptom“, sagt der Kölner Psychologe Albert Zimmermann. Ursachen dafür gebe es viele.
Womöglich sorgt sich das Kind vor den neuen Aufgaben, fremdelt mit unbekannten Menschen oder vermisst seine Mama. Häufig legt sich das innerhalb der ersten Tage. Wenn die Angst bleibt, sollten sich Eltern Gedanken machen, sagt Maria Lampl. Sie ist Vorsitzende des bayerischen Elternverbands in Lauf. Wichtig ist dann herauszufinden, woher die Angst kommt. „Sind es vermeintlich unerreichbare Vorbilder, zum Beispiel die großen Geschwister? Sind es andere Kinder, die von ihren Eltern Druck bekommen und diesen weitergeben?“, fragt Lampl.
Auch inkonsequente Erziehung, zu große Nachgiebigkeit in der Trotzphase oder Überforderung des Kindes durch Erwartungen, die seinen Fähigkeiten nicht angemessen sind, können dazu führen, dass das Kind nicht in die Schule gehen möchte, erklärt Zimmermann. Hinter solchem Verhalten der Eltern stecke häufig Angst, die sich auf die Kinder übertrage und sie abhängig mache.
Typische Ursache für Schulangst sind überhöhte Erwartungen der Eltern, bestätigt Lampl. „Die Kinder sollen es mal besser haben, bessere Noten bringen, mehr leisten, es weiterbringen“, erklärt sie. Auch das Verhalten und die Persönlichkeit von Lehrern haben Einfluss darauf, ob Kinder Schulangst entwickeln. „Nicht selten werden Schüler durch abfällige Kommentare zum Abschuss durch die Klasse freigegeben“, sagt Zimmermann.
Um die Situation zu entspannen, dürften Eltern ihrem Nachwuchs keine Angst vor der Schule machen, betont Christian Henkes vom hessischen Kultusministerium. „Es ist wichtig, den Kindern ein positives Gefühl zu geben und Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu haben“, sagt der Pressesprecher. Mama und Papa sollten schöne Geschichten aus ihrer Schulzeit erzählen oder das Kind neugierig auf diese neue Phase machen. „Es ist etwas Tolles, in die Schule zu gehen“, sagt Henkes. Das müsse beim Kind hängenbleiben.
Manche Lehrer schreiben sogar vorab einen Brief, in dem sie sich vorstellen und die Kinder bitten, etwas zum ersten Schultag mitzubringen, damit sie etwas Vertrautes begleitet. „Man muss aber abwägen, ob der ganze Hype nicht zu viel für die Kinder ist und sie gerade deswegen Angst bekommen“, sagt Henkes.
Ist die Angst erstmal da, hilft es nicht, sie zu ignorieren. „Angst abbauen geht nur, wenn wir unsere Kinder ernst nehmen“, sagt Lampl. Sie empfiehlt, den Kindern zu zeigen, was sie gut können und sie dafür zu loben. „Das macht sie stark, so dass sie mit der Angst besser umgehen können.“
Oft klagen schulängstliche Kinder über Kopfschmerzen, Bauchweh oder Übelkeit. „Die meisten Eltern gehen mit ihren Kindern wegen ihrer körperlichen Symptome zunächst zum Hausarzt“, erklärt Zimmermann. Er empfiehlt, nicht nachzugeben und sie trotzdem zur Schule zu schicken. „Du kannst das, du schaffst das, das traue ich dir zu“, seien wichtige Bestätigungen.
Bringt das alles nichts, sollten Eltern mit der Klassenlehrerin sprechen und nach Auffälligkeiten fragen, rät der Psychologe. In diesem Fall können laut Lampl Schulpsychologen, Erziehungsberatungsstellen oder Beratungslehrer weiterhelfen.
Literatur:
Sabine Jörg/Ingrid Kellner: Der Ernst des Lebens. Thienemann, 5,99 Euro, 32 Seiten, ISBN-13: 9783522432306