Gladbach-Analyse der Borussia-Legende Laumen: Mir macht Gladbachs Auftaktprogramm ein bisschen Angst

Interview | MÖNCHENGLADBACH · Borussia Mönchengladbachs Torjäger-Legende Herbert Laumen wird am 11. August 80 Jahre alt. Vorher spricht er bei uns über den großen Gladbacher Umbruch

Eine Aufnahme aus 2006: Am 3. April 1971 verfing sich Herbert Laumen am Bökelberg im Spiel gegeen Bremen im Tornetz, der Pfosten brach und die Partie wurde abgebrochen.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Am 3. April 1971 brach der Torpfosten am Bökelberg, passiert in der Bundesliga-Partie zwischen Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen beim Stande von 1:1. Herbert Laumen, der sich im Tornetz verhedderte, war der Verursacher des aufsehenerregenden Vorfalls. Das Spiel wurde nach vergeblichen Versuchen, den alten Zustand wiederherzustellen, kurz vor dem Ende abgebrochen. Der torgefährliche Stürmer der Siebziger Jahre ist seitdem Kult in der Fußballszene. Die Vergangenheit holt Laumen immer wieder ein. Dabei halten den ehemaligen Fußball-Profi und Nationalspieler auch die Fohlen von heute richtig auf Trab. Laumen ist Mitglied des Ehrenrats von Borussia Mönchengladbach, in erster Linie aber ein leidenschaftlicher Fußball-Fan und Beobachter. Am Freitag, 11. August, wird er 80 Jahre alt. Mit ihm spricht Jochen Schmitz über aktuelle und alte Zeiten.

Herr Laumen, macht Ihnen die Borussia auch im 80. Lebensjahr noch Freude oder hat sie zuletzt gelitten?

Herbert Laumen: Wenn ich ehrlich bin: In der vergangenen Spielzeit ist mir der Spaß das eine oder andere Mal regelrecht vergangen.  Man wusste nicht so recht, wo man dran ist mit der Borussia. Es war keine klare Linie in der Mannschaft zu erkennen, und restlos überzeugend waren nur die Spiele gegen Bayern, Leipzig und Dortmund. Die großen Drei, wenn man so will. In den weniger spektakulären Spielen, auf die es letztlich ankommt, haperte es hingegen an Tempo, an der Einstellung, an Leidenschaft. Die Jungs haben sich manchmal richtig hängen lassen. Schwamm drüber. Nun heißt es nach vorne schauen. Es geht wieder los. Ich freue mich riesig auf die neue Saison, auf die neue Borussia. Vielleicht geht mit dem Rückenwind der Testergebnisse doch mehr als zahlreiche Gladbach-Anhänger vermuten. Eine gewisse Skepsis ist aber angebracht.

Sie sind Mitglied des Ehrenrats im Verein. Nimm man da noch Einfluss oder was passiert da genau?

Laumen: Wir agieren im Hintergrund, haben mit dem operativen Geschäft natürlich nichts zu tun. Eine wichtige Aufgabe obliegt uns aber. Wir nehmen Leute unter die Lupe, die sich für einen Sitz im Aufsichtsrat, einem der wichtigsten Gremien innerhalb des Vereins, bewerben. Dann geben wir unsere Expertise ab, ehe sich Kandidaten auf der Jahreshauptversammlung vorstellen. Die Mitglieder bestimmen dann den Wahlausgang.

Der Gladbacher Umbruch ist größer denn je. Wie erwarten Sie die Mannschaft in der kommenden Saison?

Laumen: Der Aderlass war enorm, und bis zum 1. September ist noch vieles möglich. Ich muss gestehen, dass ich schon ein bisschen Angst habe um die Borussia. So viele Leistungsträger und Persönlichkeiten wie Lars Stindl oder Jonas Hofmann zu verlieren ist schon hart. Umso gespannter bin ich, wer in zwei, drei Wochen aufläuft, welches Bild die Mannschaft abgibt und wie sie sich verändert hat. Ein Verteidiger wie Marvin Friedrich, der bei Union Berlin über Jahre zuverlässig agierte, hat meines Erachtens endlich eine Chance verdient. Gut auch, dass Florian Neuhaus bleibt, und Manu Koné ist auch noch da. Vielleicht schafft zudem einer der Zugänge, wie der Franzose Honorat oder Robin Hack schnell den Durchbruch in der Liga, und die neue Nummer 9 aus Prag holt sich durch erste Tore das nötige Selbstbewusstsein. Was ihm im Testspiel gegen Stuttgart (5:1-Sieg, d. Red.) schon einmal eindrucksvoll gelungen ist.

Wie gefährlich ist das Auftaktprogramm?   

Laumen: In Augsburg zum Start, dann kurz hintereinander Heimspiele gegen Leverkusen, Bayern und Leipzig, ja, muss es gleich so heftig losgehen? Ich hoffe sehr, dass die Mannschaft sich schnell findet, eine gute Einstellung mitbringt und einigermaßen unbeschadet aus der Nummer rauskommt.  

Aufgaben, denen sich auch der neue Trainer Gerardo Seoane zwangsläufig stellen muss.

Laumen: Zweifellos. Ich habe, was den neuen Coach betrifft, ein gutes Gefühl. Er wirkt klar, ruhig, gradlinig. Sein Blick geht in die Zukunft, und dass er mit jungen Spielern kann, hat er bereits bewiesen. Das ist ein großes Plus, wichtig ist auch die Stimmung in der Mannschaft. Er muss einen neuen Spirit einflößen, da war zuletzt einiges verloren gegangen.

Apropos Spirit, was ist übrig vom Fohlen-Geist Ihrer Generation, und was muss passieren, dass der wieder auflebt?

Laumen: Ach, waren das noch Zeiten. Fast alles Jungs, die aus der Gegend kamen und sogar schon in der Jugend zusammengespielt haben. Wir waren jung, ungestüm und wollten nur eines: Immer nach vorne mit dem Ball, ganz nach dem Geschmack unseres Trainers Hennes Weisweiler. In der Regionalliga-Saison, die uns über die Aufstiegsrunde in die Bundesliga brachte, war es besonders wild.

Inwiefern?

Laumen: 22:2-Punkte holten wir aus den elf ersten Partien. Es lief. Elf Siege. Wahnsinn. Nein, es war auch für den Trainer damals einfacher, eine Mannschaft zu formen und zu führen als heute. Wir waren schon einigermaßen pflegeleicht, es gab einen großen Zusammenhalt, wir haben viel gemeinsam unternommen. Die Fußballlehrer der heutigen Zeit haben da andere Herausforderungen zu bewältigen. Wenn ich allein an die unruhige Medienlandschaft denke, außerdem müssen Trainer immer wieder mit Spielern unterschiedlicher Nationalitäten umgehen. Ja, der Fohlen-Geist. Er wird immer wieder heraufbeschworen. Sportgeschäftsführer Roland Virkus hat ja nach dem Trainingslager am Tegernsee erzählt, dass er bereits einen neuen Teamspirit ausgemacht hat. Das hört sich vielversprechend an.

Wie wird der 80. gefeiert?

Laumen: Im kleineren Freundeskreis, ganz gemütlich. Dass die Borussia an meinem runden Geburtstag die Stimmung nicht verdirbt und abends locker in die zweite DFB-Pokalrunde einzieht, davon gehe ich aus.