Bundesliga Der Countdown des 1. FC Köln: Nur noch zehn Spieltage

Analyse | KÖLN · Kölns Trainer Timo Schultz gibt sich weiter überzeugt, den drohenden siebten Abstieg des rheinischen Renommierclubs zu verhindern. Warum eigentlich?

Kölns Trainer Timo Schultz will den 1. FC Köln zum Klassenerhalt führen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Der FC, sagt er, sei „immer mein Verein. Und dabei wird es immer bleiben.“ Ein Satz, wie in Stein gemeißelt. Ex-Nationaltorwart Harald „Toni“ Schumacher sagt ihn gern, der „Tünn“ ist seit Mittwoch dieser Woche 70 Jahre alt. FC-Ikone Wolfgang Overath sagt den Satz auch immer, wenn man ihn fragt, warum er damals nicht für viel Geld woanders Fußball gespielt hat. Ex-Weltmeister Overath ist 80 Jahre alt.

Overath war Präsident des 1. FC Köln und trat einst frustriert zurück, Toni Schumacher war Vizepräsident und verließ seinen Schreibtisch im Geißbockheim tief getroffen. Wie damals, als sein Buch „Anpfiff“ seine Torwart-Karriere in der Nationalmannschaft und in Köln abrupt beendete. Lange ist das her, beide haben mit dem Verein aber längst wieder ihren Frieden gemacht.

Im Stadion leiden sie beide. Es sind noch zehn Spiele, mehr als Rang 16 wird es wohl nicht mehr werden. Und viele fragen sich in der Domstadt immer noch, ob es vielleicht nicht doch ein Fehler gewesen ist, Trainer Steffen Baumgart zu entlassen. Ende Dezember trennten sich die Wege der Kölner und ihres zuletzt erfolglosen Trainers nach dem 0:2 gegen Union Berlin. Nur zwei Tage später entschied auch der Internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne gegen den FC – wegen „Anstiftung zum Vertragsbruch“ und bestätigte eine Transfersperre über zwei Spielzeiten, weil der Club das slowenische Nachwuchstalent Jaka Cuber Potocnik von Olimpija Ljubljana unrechtmäßig verpflichtete. Der Hamburger Timo Schultz übernahm in Köln. Dem Trainer bleiben noch zehn Spiele, mit denen der drohende siebte Abstieg verhindert werden soll.

Overath und Schumacher wollen sich in Personaldebatten nicht einschalten, sie hoffen stillschweigend vor dem Derby bei Borussia Mönchengladbach am Samstag (15.30 Uhr/Sky) auf die Wende. Einfach wird das nicht. Angreifer Jan Thielmann wird nach der Roten Karte im Derby gegen Spitzenreiter Bayer Leverkusen (0:2) fehlen. Wie auch im Spiel gegen RB Leipzig eine Woche später. Auch Nachwuchstalent Justin Diehl wird fehlen, der 19-Jährige fällt aufgrund einer Muskelverletzung für mehrere Wochen aus.

Die Misere im Angriff verschärft sich weiter. Timo Schultz hofft zwar auf die Rückkehr von Davie Selke im Borussia-Park („Davie hat mittrainiert, wir beobachten ihn weiter, er ist auf jeden Fall ein Kandidat für den Kader“), Marc Uth erlitt einen Rückschlag im Aufbautraining und kommt für einen Einsatz noch längst nicht in Frage, auch Luca Waldschmidt logischerweise nicht. Schultz bestätigte lediglich, dass Florian Kainz wieder von Beginn an dabei ist. Und er hofft auf Tore von Sargis Adamyan, der auch schon gegen Leverkusen drei Großchancen hatte, aber nur den Innenpfosten traf.

Beim letzten Abstieg 2018 kam der Club in 34 Spielen nur auf 22 Punkte, beim dritten Abstieg 2014 war es auch nur einer mehr. Aktuell beschränkt sich der Kampf gegen den Abstieg realistisch nur auf die drei Clubs aus Köln, Mainz und Darmstadt. Die beste Ausgangslage hat der FC, seit dem 19. Spieltag verteidigen die Kölner den Relegationsplatz. Das sei bis zum Schluss „das Ziel“, betont Davie Selke: „Wir müssen Schritt für Schritt weiterarbeiten, vielleicht einmal eine kleine Serie starten.“ Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber der Vorsprung ist gering. Mehr als 17 Punkte hat der Club noch nicht beisammen, nur noch einen mehr als Mainz und vier mehr als Aufsteiger Darmstadt 98 auf Rang 18.

Köln braucht Tore, die schlechteste Offensive der Liga hat auch unter Schultz weiter Probleme. Seit der Hamburger in Köln arbeitet, hat seine Mannschaft einmal gewonnen und sechs Tore in acht Begegnungen erzielt. Selke ist mit fünf Toren (!) Top-Torjäger des Clubs, er will beim Derby unbedingt dabei sein. Der Klassenerhalt „wird uns nicht geschenkt, wir sehen ja auch die Entwicklung von Mainz“, sagt Selke.

Ein Abstieg hätte angesichts der finanziellen Situation des Vereins und der Transfersperre vermutlich katastrophale Folgen. Schultz gibt sich weiter überzeugt, den Klassenerhalt zu schaffen. „In Schulle haben sie den Richtigen gefunden“, sagt Steffen Baumgart, der den HSV endlich zurück in die Bundesliga bringen soll, „hoffen wir, dass das alles gut geht“. Aber wenn es kommt, wie in Köln und Hamburg befürchtet, stehen sich der FC und der HSV in der Relegation gegenüber.

„Wir brauchen Tore, wir müssen Spiele gewinnen, aber wie die Jungs sich präsentieren, bin ich felsenfest davon überzeugt, dass wir den Klassenerhalt schaffen“, sagte Schultz gestern. Das Hinspiel in Köln war eines der besten der Saison: „Unser Fokus liegt auf drei Punkten in Gladbach.“ Es ist das erste Derby für Schultz: „Die Borussia ist eine Mannschaft mit zwei Gesichtern, auch sie sind nicht optimal gestartet und unterliegen extremen Schwankungen.“ Ex-Torwart Thomas Kessler, Leiter der Lizenzspieler: „Ein brutal wichtiges Spiel für uns. Und bei aller Rivalität hoffe ich, dass alles ohne Gewalt über die Bühne geht.“ Nach dem Spiel gegen Bayer hatte es Randale und Festnahmen gegeben, 5500 Fans begleiten die Mannschaft nun an den Niederrhein.

Noch zehn Spieltage. Wie Darmstadt muss Mainz noch gegen Bayern, Leipzig und Dortmund antreten – Köln „nur“ gegen RB und die Bayern. Zudem warten Heidenheim, Bochum und Freiburg noch auf das Schlusstrio – und die drei „Kellerkinder“ treffen auch direkt aufeinander. Am Ende Platz 16 ist da angesichts der engen Situation fast schon so etwas wie ein Glücksfall.