Chinas Olympia-Hoffnung in Rio
Peking (dpa) - China ist berühmt für seine Fünf-Jahrespläne. Mit ihnen werden nicht nur die politischen und wirtschaftlichen, sondern auch die sportlichen Ziele des Landes festgelegt.
Kein Wunder, dass die Planer auch eine ganz genaue Vorstellung davon haben, wie die in gut drei Wochen beginnenden Olympischen Spiele in Rio abzulaufen haben: Chinas Erfolge aus vergangenen Jahren müssen in Brasilien „gehalten oder ausgebaut werden“, heißt es im aktuellen Fünf-Jahresplan der zentralen Sportbehörde in Peking.
Die Messlatte liegt damit hoch für die chinesischen Athleten: Klar ist, dass sich ihr Fabel-Ergebnis von 2008 nur schwer wiederholen lassen dürfte. Damals in Peking, bei den ersten Spielen im eigenen Land, holten Chinas Sportler nicht nur den ersten Rang im Medaillenspiegel, sondern schafften mit 51 Olympia-Siegen auch einen neuen Rekord. Vier Jahre später in London belegten sie mit 38 Goldmedaillen immerhin den zweiten Rang.
„Weniger als Platz zwei wäre deshalb in Rio eine Enttäuschung“, sagt der in China bekannte Sportkommentator Yan Qiang. Chinas Hoffnungen ruhen auf den „sechs Goldminen“ des Landes, jenen Sportarten also, in denen die Chinesen schon seit Jahren überragende Leistung erzielen.
Vor acht Jahren in Peking kamen 38 der 51 Goldmedaillen vom Tischtennis, Badminton, Turmspringen, Schießen, Turnen und Gewichtheben. In London gewannen chinesischen Athleten 26 ihrer 38 Goldmedaillen in besagten Disziplinen.
„Dieses Muster wird sich in Rio fortsetzten“, glaubt Yan Qiang. Was Chinas Parade-Disziplin Tischtennis angeht, legt sich Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bereits fest: Alles andere als eine absolute Dominanz würde als „Misserfolg“ gewertet. Weniger eindeutig als im Tischtennis könnte dieses Mal Chinas Ergebnis beim Badminton ausfallen. 2012 gewann das Land zwar noch in allen fünf Badminton-Veranstaltungen Gold. Der Wettbewerb in Rio dürfte sich aber wegen einer Regeländerung offener gestalten.
Anders als noch in London dürfen die Länder nur noch zwei statt bisher drei Spieler in das Einzel-Turnier schicken. Für China, das über eine ganze Reihe Top-Spieler verfügt, werden die Chancen so geschmälert. Lin Dan, der in China als größter Badminton-Spieler aller Zeiten gilt, strebt trotzdem sein drittes Gold an.
„Super Dan“, wie der Badminton-Star unter chinesischen Fans heißt, wird in Rio vor allem seinem Top-Rivalen Lee Chongwei aus Malaysia knacken müssen, der aktuell die Weltrangliste anführt.
Auf einen Durchmarsch können sich dagegen Chinas Turmspringer einstellen, die bei der Weltmeisterschaft in Kasan 10 von 13 Goldmedaillen abräumten. Teamchef Zhou Jihong versucht die Erwartungen dennoch runterzuschrauben: „Die anderen Teams haben schnelle Fortschritte in den letzten Jahren gemacht“, sagte er vor kurzem im Staatsfernsehen.
Hohe Erwartungen lasten auch auf Chinas Schwimmern, insbesondere Sun Yang, der 2012 für China Doppel-Gold über 1500- und 400-Meter-Freistil gewann. Kaum ein Sportler polarisiert in China so sehr wie der 25-Jährige. Sun war im Mai 2014 positiv auf das verbotene Stimulans Trimetazidin getestet worden, aber nicht mit der üblichen zweijährigen Sperre belegt, sondern nur für drei Monate aus dem Becken verbannt worden. Kritik der Fans erntete er außerdem für die Vielzahl seiner Werbeauftritte und Fehden, die er öffentlich mit seinem Trainer austrug.
Im Januar kam auch noch Pech hinzu: Sun brach sich im Training den Fuß und musste für drei Monate pausieren. Mittlerweile sieht sich der Schwimmstar aber wieder in Topform: „Mein Ziel ist es meine Goldmedaillen zu verteidigen“, sagte er chinesischen Staatsmedien.
Keine großen Hoffnungen auf Medaillen kann sich China hingegen in der Leichtathletik machen. Nachdem sich der frühere Hürdenlauf-Olympiasieger Liu Xiang zurückgezogen hat, wird in Brasilien Dreisprung-Weltmeister Dong Bin und Hochspringer Zhang Guowei Chinas Hoffnungen tragen.
Sport-Kommentator Yan Qiang glaubt, dass wegen Chinas Leichtathletik Schwäche die USA in diesem Jahr ihren Vorsprung im Medaillenspiegel ausbauen werden. „Weil Russlands Leichtathleten disqualifiziert wurden, werden die USA hier viele zusätzliche Medaillen einsammeln, China aber kaum“.