Die Medaillenaussichten der deutschen Wintersportler
Frankfurt/Main (dpa) - Vier Wochen vor Beginn der Winterspiele geben die bisher absolvierten Weltcups und Wettkämpfe mehr als einen Fingerzeig für Sotschi. Die Erwartungen an die deutsche Olympia-Mannschaft sind enorm, einige Sportarten kämpfen aber mit gewaltigen Problemen.
Ein Überblick über die Form und Medaillenaussichten in den einzelnen Disziplinen:
EISKUNSTLAUF: Die viermaligen Weltmeister Aljona Savchenko und Robin Szolkowy wollen nach Bronze vor vier Jahren in Vancouver nun auf den obersten Olymp. Beim Finale der Grand-Prix-Serie im Dezember besiegten die Chemnitzer die mit Weltrekord in die Saison gestarteten russischen Rivalen Tatjana Wolososchar/Maxim Trankow. „Da waren Aljona und Robin erst bei 75 Prozent ihrer Leistung“, sagte Coach Ingo Steuer. Bei der EM nächste Woche in Budapest wird es das letzte Duell der beiden Top-Paare vor den Spielen geben. Das zehnköpfige deutsche Eiskunstlauf-Team ist das größte seit der Wiedervereinigung; Medaillenchancen bei Olympia haben aber nur Savchenko/Szolkowy.
EISHOCKEY: Nachdem die Männer die Qualifikation kläglich verpasst haben, werden in Sotschi nur die Frauen den Deutschen Eishockey-Bund vertreten. Obwohl die Auswahl von Peter Kathan alle vier Testspiele zu Jahresbeginn verloren hat, meint der Bundestrainer: „Ich bin optimistisch.“ Als durchaus ambitioniertes Ziel gab der Coach aus, „eigentlich“ den fünften Rang von Turin 2006 bestätigen zu wollen. Der neue Turnier-Modus kommt den Deutschen allerdings nicht gelegen. Zudem gilt es, den letzten Platz und damit den Abstieg aus der A-Gruppe zu vermeiden. Medaillenchancen haben die deutschen Frauen nicht.
EISSCHNELLLAUF: Die Erwartungshaltung in der einstigen Erfolgssportart ist sehr gedämpft. Geht es nach den Leistungen des Winters haben nur die beiden Ältesten im Team, die in Sotschi 42 Jahre alt werdende Claudia Pechstein auf den langen Strecken und die 34-Jährige Jenny Wolf über 500 Meter Medaillenchancen. Daher wurde die vor vier Jahren mit dem DOSB ausgehandelte Zielvorgabe von 4 bis 5 inzwischen auf 2 bis 3 Medaillen korrigiert. Ein schwerer Nackenschlag war vor allem, dass sich beide Mannschaften nicht für die Team-Verfolgung qualifizierten. 2006 und 2010 hatte die deutschen Damen dort noch Gold gewonnen.
SHORTTRACK: Den hohen Ansprüchen der Verbandsführung sind die Shorttracker nie gerecht geworden. Für große Ernüchterung sorgte in der DESG, dass beide Staffeln in Sotschi nicht dabei sind. Daher musste Bundestrainer Mike Koorman mitten in der Saison seinen Hut nehmen. Recht bescheiden sind die Erwartungen der beiden Einzelstarter: Robert Seifert, dem einzigen deutschen Weltcupsieger, ist noch eher eine Überraschung zuzutrauen als dem 15-jährigen Team-Küken Anna Seidel. Die Dresdnerin hatte in der Qualifikation viel Glück, darf aber im Gegensatz zu ihrem Vereinskollegen nur über 1500 Meter an den Start.
SKI ALPIN: Nach dreimal Gold 2010 in Vancouver will Alpindirektor Wolfgang Maier auch dieses Jahr drei Medaillen. Zwei davon sollen die Damen einsammeln. Riesenslalom-Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg musste vor dem Jahreswechsel aber wegen einer Lungenentzündung pausieren. Slalom- und Kombinations-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch liegt an der Spitze der Weltcup-Gesamtwertung, hatte aber auch schon einige Wackler im Programm. Bei den Herren ist der WM-Zweite im Slalom, Felix Neureuther, der deutsche Topkandidat auf eine Medaille. Im Riesenslalom haben Fritz Dopfer und Stefan Luitz Außenseiterchancen.
SKICROSS: Auch die Skicrosser des Deutschen Skiverbandes fahren nicht chancenlos nach Russland. In Kanada gab es nicht mal einen Platz unter den Top Ten, inzwischen haben sich jedoch mehrere Sportler in die erweiterte Weltspitze vorgearbeitet. Bei den Männern lieferte Daniel Bohnacker in der laufenden Weltcup-Saison die beständigsten Leistungen. Andreas Schauer bewies beim Test-Event vor einem Jahr, dass er mit der Strecke in Sotschi gut zurechtkommt und wurde Dritter. Bei den Damen rechnen sich unter anderem Anna Wörner und Heidi Zacher etwas aus. Im Slopestyle gehört Lisa Zimmermann zum erweiterten Favoritenkreis, auch Bene Mayr ist ein Medaillenkandidat.
SNOWBOARD: Nach den mit drei Medaillen erfolgreichen Weltmeisterschaften wollen die deutschen Snowboarder auch in Russland auf das Podest - und nicht wie aus Kanada ohne Medaille abreisen. „Das Ziel drei Medaillen steht nicht erst seit gestern“, sagt Sportdirektor Stefan Knirsch. Parallel-Riesenslalom-Weltmeisterin Isabella Laböck fehlt bislang aber noch die volle Qualifikationsnorm - es gab aber auch erst ein Weltcup-Wochenende. Die Olympia-Zweite von 2006, Amelie Kober, ist ebenfalls noch nicht qualifiziert. Dabei sind die Boardercrosser Luca und Paul Berg sowie Konstantin Schad. Alle drei könnten in Rosa Khutor für eine Überraschung sorgen.
BIATHLON: Die Biathleten gehören in den Staffeln zu den sicheren Medaillen-Kandidaten, in den Einzel-Wettbewerben stecken sie aber im Mittelmaß fest. Die elf mit der Olympia-Norm ausgestatteten Skijäger sind in den leistungsstarken Feldern zwar gut dabei, aber nach ganz oben fehlen noch ein paar Prozentpunkte. Mit Miriam Gössner hat zudem eine einst als Gold-Kandidatin gehandelte Athletin ihren Olympia-Verzicht erklären müssen. Nach nur Einzel-Silber durch Andrea Henkel und Staffel-Bronze durch die Männer bei der Weltmeisterschaft 2013 in Nove Mesto stehen die Teams in Sotschi unter einem enormen Erfolgsdruck.
SKISPRINGEN: Trotz der verpatzten Vierschanzentournee rückt Bundestrainer Werner Schuster nicht von der Vorgabe für die Winterspiele ab. „Unser Ziel ist es, in Sotschi zwei Medaillen zu machen. Eine im Einzel und eine in der Mannschaft. Daran halten wir fest, auch wenn wir bei der Tournee nicht das Niveau hatten.“ In der Mannschaft ist eine Medaille, wie vor vier Jahren in Vancouver (Silber), durchaus realistisch. Im Einzel ist dies derzeit niemandem zuzutrauen. Dafür könnte es bei der Olympia-Premiere der Damen Edelmetall geben: Carina Vogt hat sich in diesem Winter mit drei Podestplätzen in der Weltspitze etabliert und ist Mitfavoritin.
LANGLAUF: Nach den medaillenlosen Weltmeisterschaften 2013 in Val di Fiemme sehen die Langläufer etwas Licht am Horizont. Denise Herrmann stand in dieser Saison bei Weltcups mehrfach auf dem Podium und sollte die größten Medaillenaussichten im Sprint und im Team-Sprint besitzen. Auch die Herren wollen mindestens einmal ganz vorn mitmischen. Das allerdings wird wesentlich schwerer. Vor allem aber bei den Massenstartrennen ist alles möglich, das hat der zweite Platz von Hannes Dotzler während der Tour de Ski am Neujahrstag gezeigt. Inwieweit es auch in den Staffeln deutsche Überraschungen gibt, hängt von Tagesform, Wetter und Material ab.
NORDISCHE KOMBINATION: Die Kombinierer sind Medaillengaranten bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, allerdings in den vergangenen Jahren immer mehr abhängig von der Form eines Mannes: Eric Frenzel. Der Oberwiesenthaler führt das Team und in dessen Sog steigern sich auch die anderen. In dieser Saison liegt der zweimalige Weltmeister im Weltcup-Gesamtklassement schon wieder vorn. Die anderen Kombinierer waren bislang noch nicht stabil in ihrer Form. Zweimal Edelmetall soll es in Sotschi geben, die Farbe ist egal. Seit 1988 springt und läuft Deutschland einem Sieg in der Staffel hinterher. Gold hier wäre der größte Wunsch.
BOB: Nach den durchwachsenen Leistungen bei den drei Übersee-Weltcups haben sich die deutschen Bobteams bei der ersten Europa-Station in Winterberg eindrucksvoll zurückgemeldet. Mit dem deutschen Dreifach-Erfolg bei den Männern im Viererbob und dem Sieg von Sandra Kiriasis zeigt die Formkurve nun deutlich nach oben. „Wir wollen am Ende der Saison stark sein, nicht am Anfang“, sagt Cheftrainer Christoph Langen, der auch beim Material mittlerweile zufrieden ist: „Da geht es steil nach oben.“ Daher erwartet er in den kommenden Wochen vor Sotschi eine weitere Leistungssteigerung. Seine Zielvorgabe lautet vier Medaillen - davon zwei goldene.
RODELN: Die deutschen Rodler gehen Olympia wieder einmal mit großen Medaillenhoffnungen an. Die Schützlinge von Bundestrainer Norbert Loch stellen nicht nur alle Weltmeister, sondern sind auch im olympischen Winter bisher eine Klasse für sich. So hat Natalie Geisenberger alle bisherigen sechs Weltcup-Rennen für sich entscheiden können. Die Doppelsitzer Tobias Wendl und Tobias Arlt konnten fünf Erfolge verbuchen. Bei den Männern kommt Olympiasieger Felix Loch immer besser in Fahrt. Im Aufwind ist auch Olympiasiegerin Tatjana Hüfner nach ihren Rückenproblemen. SKELETON: Die deutschen Skeletonis haben die Erfolgsspur noch nicht gefunden. Nur die Olympia-Dritte Anja Huber schaffte bislang einen Podestplatz als Zweite in Lake Placid. Die zweimalige Weltmeisterin Marion Thees kommt aber immer besser in Schwung und belegte in Winterberg Rang vier. Bei den Männern ruhen die Hoffnungen vor allem auf Frank Rommel, WM-Zweiter 2012. Alexander Kröckel kommt nach langer Verletzungspause langsam in Tritt. Nach den Übersee-Weltcups nahm Bundestrainer Jens Müller wegen „nicht ausreichenden sportlichen Leistungen“ einen Wechsel vor: Sophia Griebel und Christopher Grotheer fahren nun für Katharina Heinz und Alexander Gassner.
CURLING: Noch nie konnten die deutschen Curler eine Olympia-Medaille gewinnen, und auch in Sotschi sind die Chancen nicht wirklich rosig. Nur das Männer-Team des CC Hamburg um Skip John Jahr konnte sich für die Winterspiele qualifizieren. Mit 48 Jahren kommt Jahr zu seinem Olympia-Debüt. Dagegen verpassten die deutschen Frauen die Teilnahme.