Internationale Verbände reagieren differenziert auf IOC-Entscheid
Berlin (dpa) - Die Reaktionen der internationalen olympischen Fachverbände auf den nicht erfolgten Olympia-Bann russischer Athleten trotz nachgewiesenen Staats-Dopings in ihrem Lande fallen ganz unterschiedlich aus.
Verband-Vertreter beklagen elf Tage vor Beginn der Olympischen Spieler den Zeitdruck, um die Einzelfälle sorgfältig prüfen zu können.
GEWICHTHEBEN: Der Gewichtheber-Weltverband IWF forderte zunächst „weitere Aufklärung“ durch das Internationale Olympische Komitee, bevor er eine Entscheidung treffen will. Einige Punkte könnten „zu Verwirrung“ führen, erklärte der IWF bezüglich des IOC-Beschluss, dass die Fachverbände die Entscheidung über den Olympia-Start einzelner russischer Sportler treffen sollen.
TISCHTENNIS: Der Verzicht auf einen Komplettausschluss russischer Sportler in Rio stößt beim Tischtennis-Weltverband ITTF auf Kritik. „Die Situation ist misslich. Wir müssen innerhalb kürzester Zeit darüber befinden, ob die drei für Rio qualifizierten russischen Tischtennis-Spieler sauber sind.“ Es wurde ein aus sechs Personen bestehende Kommission gebildet, die über das Startrecht des Trio urteilen soll.
TURNEN: Der Weltverband FIG kündigte an, umgehend auf die Bedingungen des IOC zu reagieren. Man werde einen „Pool der qualifizierten russischer Athleten“ etablieren. Russischen Athleten würden nur starten, wenn sie die vom IOC geforderten Kriterien vollständig einhalten. Im McLaren-Report der WADA findet sich keine Turner, dessen Probe zwischen 2012 und 2015 Sportler positiv war. Der Trend: Alle nominierten Russen dürfen in Rio starten.
TENNIS: Der Weltverband ITF will allen nominierten russischen Spielern das Startrecht für Rio erteilen. „Die sieben russischen Nominierten sind Teil eines rigorosen Anti-Doping-Programms außerhalb ihres Landes“, hieß es in einer Mitteilung. „Wir glauben, dass saubere Sportler das Recht haben, in Rio anzutreten.“ Superstar Maria Scharapowa ist aber wegen Meldonium-Einnahme gesperrt.
RINGEN: Der Ringer-Weltverband UWW hat alle Olympia-Starter bei den Qualifikationsturnieren - außerhalb Russlands - kontrolliert. Zudem gibt es im UWW-Testpool 2016 eine internationale Liste, in der neben den deutschen Mitfavoriten Frank Stäbler und Aline Focken jeweils sechs Freistiler und Griechisch-Römische Ringer aus Russland gelistet sind. Allerdings wird in diesem Pool nur eine Russin geführt. Die Ringer-Nation Russland hat in der UWW-Exekutive mit den Michael Mamiaschwili und Natalia Jariguina zwei einflussreiche Funktionäre sitzen.
MODERNER FÜNFKAMPF: Der Weltverband UIPM unter der Leitung von Präsident Klaus Schormann tagt am (heutigen) Montag in Monte Carlo. Der Trend geht laut Schormann dahin, das die vier qualifizierte russischen Fünfkämpfer in Rio starten.
SCHIEßEN: Fälschlicherweise waren im WADA-Report auch drei Dopingfälle von Sportschützen aufgeführt. Allerdings hatte der Weltverband ISSF diese positiven Fälle im Vorfeld aufgearbeitet und geahndet. Bundesgeschäftsführer Jörg Brokamp vom Deutschen Schützenbund DSB, der in der technischen ISSF-Kommission sitzt, betonte, dass alle qualifizierten Olympia-Starter aus Russland noch einmal „durchgescannt“ werden. Trend: Alle Schützen werden starten dürfen.
JUDO: Der Judo-Weltverband IJF sprach sich früh dafür aus, russische Sportler in Rio antreten zu lassen. Verbandschef Marius Vizer, der als Putin-Freund gilt, hatte schon drei Tage vor dem IOC-Entscheid gesagt: „Wir hoffen, durch die Teilnahme der russischen Athleten in Rio 2016 ein starkes Signal an junge Leute zu senden, die Beispiele von Freundschaft mehr verdienen als Beispiele von Kaltem Krieg.“
BOGENSCHIEßEN: Der Weltverband World Archery teilte am Montag mit, dass die drei Russen Tuiana Daschidorschewa, Xenia Perowa und Inna Stepanowa am olympischen Turnier teilnehmen dürfen. Der Weltverband bestätigte, dass dieses Trio ausgiebig getestet wurde und niemals in ihrer Karriere wegen Dopings sanktioniert worden ist.
LEICHTATHLETIK: Hier darf nach dem Entscheid des Sportgerichtshofes CAS kein Russe in Rio starten. Der deutsche DLV-Präsident Clemens Prokop hält aber die IOC-Entscheidung, ehemalige russische Doping-Sünder generell nicht bei den Rio-Spielen starten zu lassen, für rechtswidrig. Das sei eine „Verletzung der Rechtssprechung des CAS und des Gleichheitsprinzips“, sagte er am Montag. Der CAS hatte vor fünf Jahren die 2008 vom IOC eingeführte Osaka-Regel, der zufolge Athleten nach mehr als sechsmonatiger Doping-Sperre nicht an den darauffolgenden Spielen teilnehmen dürfen, für ungültig erklärt.