Olympia unter Feuer: Rios holpriger Endspurt
Rio de Janeiro (dpa) - Katy Chiller ist dieser Tage die Überbringerin schlechter Nachrichten. Ein Feuer in der Tiefgarage des Olympischen Dorfes, 100 australische Athleten müssen ihr Quartier verlassen.
Im Parkhaus liege viel Müll herum, sagt Australiens Delegationschefin Chiller. Und viele Arbeiter würden dort rauchen. „Das ist aber eine Nichtraucher-Anlage.“ Das Feuer ist zwar schnell gelöscht. Aber nach dem schon wegen Baumängeln verzögerten Einzug wirkt Chiller genervt.
Auch die deutschen Athleten werden in ihrem Wohnblock nachts um 3.30 von einem Feueralarm aus dem Schlaf gerissen - nur eine Probe. Nach und nach beziehen seit Tagen die über 10 000 Athleten ihr Quartier - viele sind sehr zufrieden mit den Bedingungen und die Stimmung gut. Aber die Spiele bleiben mit Zweifeln behaftet. Doch es gibt auch gute Nachrichten beim Endspurt vor der Eröffnung im Maracanã am 5. August.
„Rio de Janeiro wird der Welt mit unseren Spielen alles zeigen, wozu es in der Lage ist“, meint Brasiliens Interimspräsident Michel Temer. Bleibt zu hoffen, dass es ausschließlich die positive Seite ist. Er nimmt an der Premierenfahrt der Metro teil, das wichtigste und teuerste Schlüsselprojekt der Spiele ist doch noch fertig geworden.
Rund 2,5 Milliarden Euro hat die Linie vom Strandviertel Ipanema zum Stadtteil Barra gekostet, dort ist der Olympiapark mit den meisten Sportstätten. Von der Endstation geht es mit Schnellbussen dorthin.
Es wäre in den meisten Ländern Europas undenkbar. Wenige Tage vor Olympischen Spielen mit hunderttausenden Besuchern nimmt eine kaum getestete, 16 Kilometer lange Metrolinie den Betrieb auf. In Berlin verzögert sich wegen einer zu komplexen Entrauchungsanlage der Start des Flughafens seit Jahren. Die Metro in Rio teilte jüngst stolz mit: „Zum ersten Mal gibt es im Metrosystem einen Test gegen Feuer.“
Bis zu 10 000 Arbeiter waren im Einsatz. Um zu verstehen, welches Debakel eine Nicht-Eröffnung bedeutet hätte, muss man sich die Topographie vor Augen führen. Nach Barra gibt es von Copacabana und Ipanema aus nur zwei größere Straßen, die Gegend ist von Bergen durchzogen. Auf bisweilen zwei Stunden pro Anfahrt hätten sich Touristen wohl von hier nach Barra einzustellen, wenn statt einer Metro nur Busse fahren. Hier ist fast immer Stau. „2000 Autos sind dort pro Stunde unterwegs“, sagt Projektleiter Juliana Penteado. Die Metro-Linie 4 soll bis zu 300 000 Leute am Tag transportieren.
Montag geht es nun offiziell los, aber zunächst nur als exklusive Olympiametro, so richtig scheint man der Sache nicht zu trauen. Vom 1. bis 5. August, dem Tag der Eröffnungsfeier, dürfen nur Sportler, Delegationsmitglieder, Arbeiter, Techniker und Journalisten mit Akkreditierungen für die Olympischen Spiele die Metro nutzen. Dann auch alle Leute mit Olympia-Eintrittskarten. Nach Olympischen und Paralympischen Spielen wird die Metro für alle geöffnet - aber nur von 11 bis 15 Uhr fahren. Ende des Jahres dann vielleicht ganztägig.
„1,5 Millionen Menschen wohnen in der West-Zone Rios, viele sind jeden Tag 3 bis 4 Stunden zur Arbeit im Zentrum und zurück unterwegs, für sie ist das ein großer Gewinn“, betont Penteado. „Wir haben hier eine Linie in 3,5 Jahren gebaut, normal sind 6 bis 7 Jahre.“ Aber erst ein Notkredit der Regierung in Brasilia von fast 800 Millionen Euro sorgte dafür, dass die Metro auch finalisiert werden konnte.
Die Sportstätten sind bereits alle fertig, ebenso eine 26 Kilometer lange Schnellbuslinie, die Barra mit Deodoro im Norden der Stadt verbindet, wo die Reitwettkämpfe stattfinden werden. In der Spitze sollen bis zu 426 752 Olympia-Fahrgäste am Tag mit Metro, Bussen und Bahnen transportiert werden, hat die Stadt penibel ausgerechnet.
Nicht gelöst werden konnte dagegen ein dramatisches Umweltproblem. In der Guanabara-Bucht, wo die Segelwettbewerbe stattfinden, soll nun ein Abwasser-Rohrsystem das bisherige Einlaufen von mit Bakterien und Viren belasteten Abwässern aus Krankenhäusern und Haushalten mindern, Barrieren sollen Müll aus dem Segelrevier fernhalten. Aber wirklich olympiareife, gesunde Wettkampfbedingungen sind kaum zu erwarten.
Zwar kommen die Olympischen Spiele gerade wegen der wirtschaftlichen und politischen Krise des Landes vielleicht etwas zur Unzeit, aber Bürgermeister Eduardo Paes setzt auf die Begeisterungsfähigkeit der Bewohner und die Macht der Bilder aus dieser wundervollen Stadt. „Die Olympiastimmung wird sich hier ähnlich wie bei der WM am ersten Tag einstellen“, glaubt der Deutsche Generalkonsul Harald Klein. „Das kennen wir hier. Die Brasilianer sind eher Last-Minute-People.“