Thomas Weber: Der deutsche Olympia-Pfarrer
Thomas Weber begleitet die deutsche Mannschaft. Von Siegen und Niederlagen.
Gevelsberg. „Schneller, höher, stärker.“ Das olympische Motto treibt an bei der Jagd nach Bestmarken und Medaillen. Und zeigt dabei eine gnadenlose Seite: „Wenn die Leistung ausbleibt, steht schnell die Karriere und damit die ganze Lebensplanung in Frage“, sagt Thomas Weber.
Der Pfarrer aus Gevelsberg wird nah dran sein, wenn in London sportliche Höhepunkte bejubelt werden. Er ist aber vor allem dann gefragt, wenn Niederlagen zu beklagen sind. „Der Druck dort ist riesengroß. Da gilt ein dritter Platz schon als Versagen. Das schmerzt furchtbar.“
Deshalb macht sich Thomas Weber einmal mehr auf den Weg. Mit einer starken Botschaft im Gepäck: „Hinfallen ist menschlich. Liegen bleiben ist teuflisch. Wieder aufstehen mit Gottes Hilfe — das ist himmlisch.“
Für den 52-Jährigen, der im Alltag Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Gevelsberg ist, ist es bereits der vierte Einsatz bei Olympischen Spielen. Er war 2006 in Turin, 2008 in Peking und 2010 in Vancouver. Und immer wieder hat er „diesen emotionalen Ausnahmezustand“ verspürt: „Jahrelange Vorbereitung verdichtet sich auf Sekunden oder Sekundenbruchteile. Damit muss man erst einmal fertig werden.“
Als Olympiapfarrer sind Thomas Weber und sein katholischer Kollege Hans-Gerd Schütt Teil der deutschen Mannschaft, die sie ihre „Gemeinde auf Zeit“ nennen. Doch obwohl sie die gleiche Kleidung trügen, blieben sie doch „Exoten“, sagt Weber. Seine Überzeugung: „Der christliche Glaube ist ein Wettbewerbsvorteil, um mein Leben mit all seinen Anforderungen bestehen zu können.“
Was das konkret bedeuten kann? Eindrücklich erinnert sich Thomas Weber an den Flug zu den Winterspielen nach Vancouver. Lange hätten sie geredet, der Eishockeyspieler und er. Sein Sitznachbar sei einfach nicht über den frühen Tod des Teamkollegen und Nationaltorwarts Robert Müller hinweg gekommen. Der Sportler habe verzagt gemeint: Wenn so etwas passiert, wenn jemand Frau und Kinder hinterlässt, dann muss man sich doch fragen, was wirklich zählt im Leben. „Das hätte ich als Pfarrer nicht besser formulieren können“, sagt Weber. Über den Wolken haben sie gesprochen — über Ziele im Leben und über das Sterben. Da könne er als Theologe „Lebensgewissheit“ anbieten: „Hoffnung über den Tod hinaus.“
Die beiden Olympia-Seelsorger wohnen während der Spiele im deutschen katholischen Pfarramt nicht weit von der bekannten Tower Bridge. „Da sind wir gut angebunden.“ Sie werden Gottesdienste und Andachten halten. Sie sind geistliche Ansprechpartner für die Sportler und ihre Familien, für Trainer und Funktionäre. Und sie pflegen Kontakte zum olympischen Jugendlager.
Persönlich hat Weber, der in den kommenden Wochen auf Tuchfühlung mit dem „System Hochleistungssport“ geht, allein Breitensport-Erfahrung vorzuweisen. Er läuft gern Ski, spielt Tennis, tritt in die Pedale seines Fahrrads. Im Westfälischen freuen sich nicht nur Frau und Kinder, sondern auch die Gemeindemitglieder auf die Rückkehr des Pfarrers — mit Bildern und Berichten zwischen den Extremen von berauschenden Siegen und deprimierenden Niederlagen.