Basketball - für Litauen das Tor zur Welt
Siauliai (dpa) - Die Bilder erinnern ein bisschen an die Fußball-WM in Deutschland vor fünf Jahren. An den Autos wehen die Nationalflaggen, die Straßenzüge der Städte sind geschmückt und für die Menschen gibt es nur noch ein Thema: die Basketball-EM im eigenen Land.
Ganz Litauen fiebert dem Auftakt der Europameisterschaft am Mittwoch entgegen, schließlich ist Basketball hier mehr als nur ein Sport. Basketball bedeutet für die rund drei Millionen Litauer Religion oder „das Tor zur Welt“, wie die Organisatoren in ihrem schmucken knapp 100 Seiten umfassenden Bildband mit dem Titel „Basketball = Litauen“ schreiben.
Bereits bei der offiziellen Eröffnung am Montagabend herrschte in den sechs Austragungsorten der Ausnahmezustand. Als Dirk Nowitzki und Co. zur ersten Trainingseinheit in der Siauliu Arena eintrafen, trauten sie ihren Augen kam. Auf dem Vorplatz der Halle tummelten sich trotz strömenden Regens tausende Menschen, die meisten von ihnen in die litauischen Nationalfarben Gelb-Grün-Rot getaucht.
Sie alle nahmen an einem Rekordversuch teil, den die Basketball verrückten Litauer locker schafften. Mehr als 55 000 Fans in den sechs Austragungsstädten dribbelten ihre Bälle fünf Minuten lang parallel und schafften damit den Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde. „In Litauen ist Basketball die absolute Sportart Nummer eins. Von daher sind sie ein absolut würdiger Veranstalter“, sagte Bundestrainer Dirk Bauermann.
In der Tat dreht sich in dem baltischen Land alles um den orangenen Ball, der sonst überall regierende Fußball steht im Schatten. „In Brasilien schlafen sie vielleicht mit ihren Fußbällen, aber in Litauen essen, schlafen und beten wir mit unserem Basketball“, schreiben die Veranstalter in ihrer Broschüre.
Rund 18 000 Litauer spielen in 129 Vereinen (Stand Juni 2011) Basketball, hinzu kommen Schätzungen zufolge knapp 100 000 Litauer, die unorganisiert dem Nationalsport frönen. Zum Vergleich: Im 27 Mal so großen Deutschland spielen 190 000 in Vereinen und rund 500 000 unorganisiert.
Und das ist in Litauen auch kein Problem. Fast überall hängt irgendwo ein Basketball-Korb, selbst an Kirchenwänden haben sie zum Teil ein Brett und einen Ring angebracht. Seit 2007 gibt es in der Hauptstadt Vilnius, wo der Fernsehturm für die Zeit der EM in einen riesigen Basketball-Korb verwandelt wird, sogar ein Denkmal zu Ehren des Basketballs. Knapp sechs Meter hoch und 30 Tonnen schwer thront es vor der Siemens-Arena. In Stein gemeißelt findet der Interessierte dort die wichtigsten Ereignisse der litauischen Basketball-Geschichte und die Namen der bekanntesten Spieler verewigt, wie zum Beispiel Arvydas Sabonis oder Rimas Kurtinaitis.
Dreimal nacheinander gewann Litauen bei Olympischen Spielen die Bronzemedaille (1992, 1996, 2000), als größter Erfolg steht der EM-Titel 2003 zu Buche. Nicht weniger erwarten die Fans von ihren Idolen auch in diesem Jahr. Alles ist auf eine riesige Basketball-Sause am 18. September in Kaunas ausgerichtet, wo die Finalrunde ausgetragen wird. Schon auf dem Weg dorthin werden die Litauer ihr Nationalteam auf einer Woge der Begeisterung durch das Turnier tragen, schließlich hat Basketball „uns einen Platz auf der Landkarte gesichert“, wie es in dem schönen Bildband heißt.