Dettmann bei Basketball-EM auf „Raumfahrt“ mit Finnland

Ljubljana (dpa) - Seine philosophische Ader hat sich Henrik Dettmann auch zehn Jahre nach der Arbeit mit Dirk Nowitzki und Co. bewahrt. Bei der EM schockt der Ex-Bundestrainer mit dem langjährigen Basketballzwerg Finnland reihenweise die Großmächte.

Und er führt sein Team bei der dritten Euro-Teilnahme seit 1979 zum zweiten Mal nacheinander in die Zwischenrunde. „Die größte Befriedigung ist, dass wir bewiesen haben, dass es beim Erfolg nicht nur um Geld geht“, sagt der 55-Jährige mit Blick auf sein Team und umschreibt das Erfolgsrezept mit einem Leitspruch: „Der Weg der alten Schule funktioniert: Wenn man arm ist, muss man bescheiden sein.“

Schon in der Zeit beim Deutschen Basketball Bund (1997-2003) erwarb sich Dettmann aufgrund seiner Weisheiten den Beinamen Pater Henrik. Bei der Erinnerung an seine Mannschaft von 2002, die in Indianapolis als Dritter die bislang einzige WM-Medaille Deutschlands gewann, gerät er noch heute ins Schwärmen. „Ein großartiges Team, unglaublich. Es hatte denselben Zusammenhalt wie wir heute.“

Er wolle lieber auf Englisch reden, sagt Dettmann in der Lobby des noblen Plaza-Teamhotels in Ljubljana, er sei etwas müde, sein Deutsch ein wenig eingerostet. Eine kräftezehrende Vorrunde liegt hinter dem Coach - in der Hammergruppe C bezwang Finnland sensationell die mit Stars gespickten Kontrahenten Türkei, Russland und Griechenland.

„Der Hype ist groß“, berichtet Dettmann von Reaktionen aus der Heimat. In den abendlichen Hauptnachrichten des von Eishockey und Fußball geprägten Sport-Landes kam der Bericht über den Coup gegen den zweimaligen Europameister Griechenland an erster Stelle. Auf Dettmanns Handy melden sich reihenweise die Gratulanten - auch sein Weggefährte Svetislav Pesic. „Ich habe viel von ihm gelernt“, erinnert Dettmann und verfällt einmal doch ins Deutsche: „Er hat immer gesagt: Lieber ein schlechtes Konzept als keines. Das predige ich: Wenn du ein Konzept hast, kannst du etwas verbessern.“

Der spielerische Plan von Dettmann beruht auf einer Mischung aus dem „ALBA Berlin der alten Zeit“ und dem „modernen Bayern München“, defensiv fokussierter Team-Basketball. „Es kümmert jeden nur, was vorne auf dem Trikot steht“, beschreibt Routinier Hanno Möttölä den Ansatz und deutet auf den „Finland“-Aufdruck auf seiner Brust, „und nicht der Spielername auf dem Rücken.“

Der 37-Jährige humpelt auf Krücken durch die Gänge der Stozice Arena, sein Kreuzbandriss zum Vorrundenabschluss könnte das Ende des wundersamen Erfolgslaufs gewesen sein. Ohne ihren Anführer wurden die Finnen zum Zwischenrunden-Auftakt von Kroatien mit 63:88 weggefegt. „Wenn Du das Herz von etwas herausreißt, weißt Du was passiert“, beschrieb Dettmann den Ausfall Möttöläs, dessen Verbleib als Ratgeber beim Team auch für den Coach selbstverständlich ist: „Wir sind auf einer gemeinsamen Reise, das ist für uns wie eine Raumfahrt - und aus einem Raumschiff kann man nicht mittendrin rausspringen.“

Um den wundersamen Flug durch die Höhen des Basketball-Kosmos fortzusetzen und erstmals seit 1967 wieder unter den besten acht Teams Europas zu stehen, braucht Finnland mindestens einen Sieg gegen Titelverteidiger Spanien oder Gastgeber Slowenien. Mit dem Einzug ins Viertelfinale wäre die erste WM-Qualifikation zum Greifen nah. „Es ist für uns eine große Ehre. Meine Spieler sehen sie im Fernsehen und jubeln ihnen zu, jetzt stehen sie auf dem selben Feld“, kokettiert Dettmann mit der Rolle als Underdog. „Die Chance beträgt 1 zu 1000 oder 1 zu 10 000 - aber wir werden es versuchen.“