Liebling statt „arroganter Asi“: Günther vor erster EM
Neu-Ulm (dpa) - Selbst in der seltenen Freizeit des zweieinhalb- monatigen Vorbereitungsmarathons steht für Per Günther Basketball auf dem Programm. Den Besuch in seiner Ulmer Wahlheimat zum Supercup nutzte der quirlige Aufbauspieler für einen Kaffee mit seinem Clubtrainer Thorsten Leibenath.
Mit dem Prestige-Pokal beginnt am Wochenende für Günther und das junge deutsche Nationalteam der Endspurt bis zur EM in Slowenien (4. bis 22. September). „Ich bin heiß, dass ich mit 25 endlich mein erstes richtiges Turnier spielen kann“, sagt der Publikumsliebling vor dem Supercup-Auftakt gegen Bosnien-Herzegowina am Freitag. „Man möchte bei diesen Endrunden dabei sein, ich hoffe, dass jetzt nichts Dummes mehr passiert.“
Derartiges ist dem 1,84 Meter großen Wuschelkopf in seiner persönlichen Historie reichlich widerfahren. Vor vier Jahren brach er sich auf dem Weg zur Europameisterschaft den Mittelfuß, 2011 verzichtete der damalige Coach Dirk Bauermann kurz vor der Nominierung auf den Point Guard. Im Jahr zuvor war Günther bei der WM über eine Ersatzrolle nicht hinausgekommen und blieb ohne Punkte.
Inzwischen verkörpert Günther den endgültigen Umbruch bei den deutschen Korbjägern. Ohne den zurückgetretenen Steffen Hamann hat der frühere Hagener längst die Rolle hinter Kapitän Heiko Schaffartzik übernommen und übte bei Testspielen mit dem Neu-Bayern auch die Variante mit zwei gelernten Spielmachern auf dem Parkett ein. „Für mich ist es quasi das erste große Turnier. Beim Leistungsniveau würde ich zwar nicht sagen, dass er mir meilenweit voraus ist“, beschreibt Günther das Verhältnis. „Aber er ist auf jeden Fall der Kopf der Mannschaft und der wichtigste Kerl.“
Diese Rolle hat Günther selbst inzwischen bei ratiopharm Ulm inne. „Per hat eine super Saison gespielt“, lobt Bundestrainer Frank Menz, „auch auf europäischer Ebene.“ Gemeinsam mit dem Liga-MVP John Bryant führte Günther die Schwaben unter die besten acht Eurocup-Teams, im Halbfinale der BBL-Playoffs verpasste Ulm gegen Oldenburg den zweiten Endspiel-Einzug nacheinander.
Dabei verbesserte der Point Guard sowohl seinen Punkte- (11,6) als auch Assistschnitt (3,5) pro Saison-Partie und schraubte dank guter Wurfauswahl seine Dreierquote auf überragende 49,5 Prozent. Als „wichtigste Korsettstange“ beschreibt Vereinscoach Leibenath seinen Distanzspezialisten. „Pers Spielweise ist frech und selbstbewusst - aber auch bodenständig und sympathisch.“
Diese Wesenszüge brachten Günther auch zum zweiten Mal nacheinander die Auszeichnung als beliebtester Bundesliga-Profi durch die Fans ein. Zu seiner Überraschung - mit 18 habe er noch „regelmäßig den Arroganter-Asi-Award abgegriffen“, schrieb er via Facebook. Zwar „mit Augenzwinkern, aber es ist auch ein Kern von Wahrheit dran“, analysiert Günther nun. „Ich war über meine Karriere nicht sonderlich beliebt bei Fans oder sonst jemandem. Es gab viele Reibungspunkte in dem Alter. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich mal so gesehen werde.“