Mit deutschen Tugenden gegen die Pessimisten
Vilnius (dpa) - Beginn einer Aufholjagd oder Anfang der Abschiedstournee für NBA-Champion Dirk Nowitzki: Beim Zwischenrunden-Auftakt gegen Topfavorit Spanien geht es für die deutsche Nationalmannschaft bei der EM in Litauen am Mittwoch fast um die letzte Chance im Kampf um die Viertelfinalplätze.
„Es wird brutal schwer, das wissen wir. Wir müssen weniger Fehler machen und wieder besser zusammenspielen“, sagte Nowitzki vor dem Duell mit dem Titelverteidiger. Die nahe Zukunft des deutschen Basketballs steht auf dem Spiel.
Das Team zog von Siauliai nach Vilnius um und residiert nun 20 Kilometer vor den Toren der Basketball-Traditionsstadt. „Die Jungs sind gut drauf. Deutschland gegen Spanien ist ein Klassiker, in allen Sportarten. Ich hoffe, wir machen es besser als die Fußballer“, meinte Bundestrainer Dirk Bauermann am Dienstagabend beim Training in der 11 000 Zuschauer fassenden Arena mit Blick auf das verlorene WM-Halbfinale der Löw-Truppe im vergangenen Jahr. Nowitzki wirkte im Training hoch konzentriert. Womöglich könnte es das drittletzte Spiel des Superstars im Nationaltrikot sein.
Denn sollten die deutschen Korbjäger in Litauen den Einzug ins Viertelfinale verpassen, wäre zugleich auch der Traum von der zweiten Olympia-Teilnahme in Serie geplatzt. Nur die Aussicht auf London 2012 trieb Nowitzki in diesem Sommer trotz aller Strapazen rund um den NBA-Triumph zurück in die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB).
Verpasst das deutsche Team den Sprung zum olympischen Qualifikationsturnier, wofür zumindest Rang sechs notwendig ist, müsste es im kommenden Sommer durch Europa tingeln, um sich für die EM 2013 in Slowenien zu qualifizieren - definitiv ohne Nowitzki, der auch ein Mitwirken an einer eventuellen Heim-EM zwei Jahre später, für die sich der DBB zusammen mit Frankreich, Italien und Kroatien bewirbt, nahezu ausgeschlossen hat. „Da bin ich zumindest sehr skeptisch“, meinte der 33-Jährige, der bislang 138 Länderspiele bestritten hat.
Damit der Blondschopf am Ende nicht bei 141 Länderspielen stehen bleibt, müssen sich die deutschen Riesen in Vilnius kräftig nach der Decke strecken. War die Vorrunde mit den Gegnern Italien, Frankreich und Serbien schon schwer, warten auf Nowitzki und Co. nun mit Spanien, Gastgeber Litauen und Vize-Weltmeister Türkei die ganz dicken Brocken. Erschwerend hinzu kommt, dass das Team als einzige Mannschaft der Gruppe keinen Sieg mitnimmt. Zwei Erfolge sind daher mindestens Pflicht, „dann sind wir ganz gut dabei“, wie Bauermann skizzierte.
Der Bundestrainer setzt dabei auch auf eine Steigerung seines Superstars. „Wir werden dann auch einen Nowitzki sehen, der sein Spiel auf ein neues Niveau bringt“, prophezeite Bauermann. Doch gleich zum Start geht es gegen die zuletzt schwächelnden Spanier, die mit insgesamt sechs NBA-Profis bestückt sind und angeführt von Los-Angeles-Lakers-Star Pau Gasol ihren Titel unbedingt verteidigen wollen.
„Die Spanier sind der Topfavorit. Sie haben beinahe alles dabei“, meinte Bauermann, der bei einem eventuellen Ausscheiden am Ende der Woche ebenfalls früher als erhofft aus seinem Amt scheiden und sich auf den FC Bayern München konzentrieren würde. Mit der Nachfolgesuche will sich der Verband in diesem Fall Zeit lassen. „Es wird keinen Schnellschuss geben“, sagte DBB-Präsident Ingo Weiss.
Doch im Spiel gegen das iberische Starensemble liegt auch eine Chance für die DBB-Equipe - keiner erwartet zum Beginn der Sechser-Gruppe, aus der die ersten Vier das Viertelfinal-Ticket lösen, etwas von ihr. „Ich freue mich riesig auf das Spiel, weil die Spanier einfach nur Topleute dabei haben“, sagte Spielmacher Heiko Schaffartzik fast schon mit kindlicher Freude.
Gelingt es Schaffartzik und seinen Mitspielern, diese Begeisterung auf dem Parkett in positive Energie umzuwenden, besteht auch gegen Gasol und Co. eine Siegchance, wie die Türken bei ihrem Erfolg über die Iberer zum Ende der Vorrunde bewiesen. „Wir haben gegen jeden Gegner eine Chance. Die Türken haben wir bereits geschlagen. Spanien ist nicht unverwundbar, auch Litauen geht“, sagte Bauermann. Kampflos ergeben wollen sich seine Spieler nicht. „Eine deutsche Mannschaft gibt nicht auf“, entgegnete Kapitän Steffen Hamann trotzig allen Pessimisten, die der DBB-Auswahl keine Chancen auf ein Weiterkommen einräumen.