NBA-Tarifstreit: Schwere Zeiten für „Easy Dave“
Boston (dpa) - Er nannte sich selbst einst „Easy Dave“, doch die Leichtigkeit der Blütejahre hat David Stern längst verloren. Der Boss der Basketball-Liga NBA kämpft mit der zweiten Spieler-Aussperrung seiner Amtszeit - und somit um sein Vermächtnis.
Beobachter bezeichnen den 69-Jährigen im anhaltenden Arbeitskampf zwischen den Teambesitzern und der Spielergewerkschaft NBPA bereits als „Biggest Loser“. Dabei müsste es Stern gepasst haben, dass die Tarifverhandlungen in der Vorwoche ergebnislos abgebrochen wurden, als er wegen einer Grippe fehlte. Kein Commissioner - kein Konsens. Schließlich hat der kleine Mann aus New York schon 27 Jahre lang das Sagen in der Liga der langen Kerle. Seit 1984 regiert Stern sein Basketball-Reich mit eiserner Faust - doch selbst der mächtige Macher scheint im Muskelspiel zwischen Milliardären und Millionären machtlos.
Er drohte zwar, weitere Spiele zu streichen, sollte nicht bald ein Vertrag unterschrieben sein. Aber das stellte sich längst als Populismus heraus. Dennoch steht zum zweiten Mal innerhalb von 13 Jahren der Ligabetrieb still - 100 Partien sind bereits abgesagt. In der Saison 1998/99 gingen insgesamt 464 Spiele verloren, die Saison begann erst Anfang Februar.
Der erneute Lockout könnte Sterns Stigma werden. Zwar sitzt der studierte Jurist so lange im NBA-Chefsessel wie keiner seiner drei Vorgänger. Aber er hat bei weitem nicht mehr die Unterstützung wie noch zu den Hochzeiten der Liga. „Ich würde dich rausschmeißen. Du bist großartig in Sachen Marketing, aber zu weich gegenüber der Gewerkschaft“, hatte ihn Donald Sterling, der Besitzer der Los Angeles Clippers, einst angeraunzt.
Auch einige Profis murren. „Er versucht, sich auf unsere Kosten einen Vorteil zu verschaffen. Wir tun das Richtige und beißen nicht an - denn das ist das, was er will“, meinte John Wall von den Washington Wizards. Der anerkannte Fernsehjournalist Bryant Gumbel bezeichnete Stern gar als „modernen Plantagen-Aufseher, der NBA-Spieler behandelt wie sein Eigentum“.
Trotz aller Kritik sind Sterns Errungenschaften in der Eliteliga unbestritten. Als er am 1. Februar 1984 übernahm, hatte die NBA zwar Stars wie Earvin „Magic“ Johnson und Larry Bird, galt allerdings als Plattform für weit verbreiteten Drogenmissbrauch unter farbigen Athleten. Deshalb wurden die Endspiele als Aufzeichnung erst gegen Mitternacht ausgestrahlt.
„Vielleicht hat es mir geholfen, in einer Zeit groß zu werden, in der die Gefahr bestand, dass wir unser Business schließen müssen, weil wir zu viele farbige Spieler hatten“, betonte Stern einst. Und weiter: „Die hatten vermeintlich zu viel Kokain geschnieft und waren total überbezahlt.“
Stern beseitigte das Drogenproblem, führte eine Gehaltsobergrenze und einen Dress-Code ein. Zudem hatte er Superstars wie Michael Jordan und Charles Barkley zu bieten, die dafür sorgten, dass die NBA ein weltweites Premium-Produkt wurde. Die Einnahmen stiegen unter Sterns Ägide um 500 Prozent.
Der Commissioner machte 1992 das „Dream Team“ möglich, brachte Chinas Ausnahmespieler Yao Ming in die NBA und öffnete somit die Tore für seine Liga im Land des Lächelns. Er steht für die Globalisierung der NBA, die elf internationale Büros besitzt und deren Spiele in 215 Länder übertragen werden. Ein großes Vermächtnis, das jedoch immer mehr Kratzer abbekommt, je länger die Aussperrung andauert.