Keine Superhelden Wie die NBA-Stars mit mentalen Problemen umgehen
Cleveland (dpa) - Schon seit seiner Kindheit kämpfte DeMar DeRozan mit Depressionen, Kevin Love wollte sich seine psychischen Störungen sogar erst überhaupt nicht eingestehen.
Mit den mentalen Problemen an die Öffentlichkeit zu gehen, kam für die beiden Basketball-Stars aus der NBA lange nicht in Frage, denn im von exzentrischen Alphatieren dominierten US-Profisport schien kein Platz für vermeintliche Schwäche. Doch nachdem sie die Kultur des Schweigens beendeten, entwickelt sich nun eine positive Diskussion über das Thema, die NBA reagiert sogar mit einem Modellprogramm, um den Spielern zu helfen.
„Ganz egal, wie unzerstörbar wir aussehen, wir sind alle Menschen“, sagte DeRozan von den Toronto Raptors in einem Zeitungsinterview dem „Toronto Star“. Nach außen wirkt der Topathlet glücklich, doch auch ein scheinbar perfektes Leben mit einem Jahresgehalt von knapp 27 Millionen US-Dollar ist nicht alles. Immer, wenn er es am wenigsten erwarte, würden die Depressionen und die Versagensängste zuschlagen, sagte der 28-Jährige und brach damit ein Tabu. Große Egos beherrschen den amerikanischen Sport. So tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt zu geben, ist äußerst ungewöhnlich, hatte aber eine positive Wirkung.
Auch Love von den Cleveland Cavaliers ging anschließend an die Öffentlichkeit, berichtete in einem Essay auf der Seite „The Players Tribune“ unter anderem über eine Panikattacke während eines Spiels. Den Großteil seines Lebens hatte er Angst zu akzeptieren, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung sei. „Du lernst, was es bedeutet, 'ein Mann' zu sein. Es ist wie ein Spielplan: Sei stark. Rede nicht über deine Gefühle“, schrieb der Teamkollege von Superstar LeBron James. Und der antwortete: „Du bist noch stärker als jemals zuvor, Respekt, Bruder!“
Nahezu alle Reaktionen waren positiv, DeRozan und Love, beide Weltmeister und Olympiasieger mit den USA, bekamen Zuspruch für ihren mutigen Schritt und lösten nebenbei noch eine Kettenreaktion aus. „Ich denke, Leute, die von außen auf uns blicken, verstehen es nicht, weil sie uns als Superhelden sehen, aber wir sind normale Menschen“, sagte der 22-jährige Kelly Oubre von den Washington Wizards, der unter Versagensängsten leidet.
In Deutschland hatte Fußball-Nationalspieler Per Mertesacker in einem „Spiegel“-Interview zuletzt offen über extreme Drucksituationen berichtet und dafür Lob wie Kritik aus seiner Branche bekommen. Besonders seine Schilderungen über die Erleichterung nach dem WM-Aus 2006 hatten für Aufsehen gesorgt. „Klar war ich auch enttäuscht, als wir gegen Italien ausgeschieden sind, aber vor allem war ich erleichtert“, sagte Mertesacker dem „Spiegel“.
Da der Druck auch im US-Sport stetig zunimmt, haben sich die NBA und die Spielergewerkschaft NBPA dazu entschieden, die Profis mit einem gemeinsam finanzierten Programm zur Förderung der psychischen Gesundheit zu unterstützen. Dafür wird ein Direktor für geistige Gesundheit engagiert, der den Prozess lenkt. Erstmals ist es den Basketball-Profis dann erlaubt, sich außerhalb und unabhängig ihres jeweiligen Teams psychologisch individuell behandeln zu lassen.
Dass es unter Profisportlern Probleme mit Depressionen, Angstzuständen und Panikattacken gibt, überrascht keineswegs, nur kaum einer wagt bislang aus Angst vor Stigmatisierungen den Gang an die Öffentlichkeit. Knapp 45 Millionen Amerikaner - oder 18,3 Prozent der Erwachsenen - leiden laut des nationalen Instituts für Gesundheit unter mentalen Problemen. Studien haben gezeigt, dass Topathleten ein größeres Risiko haben, vor allem an Depressionen zu erkranken.