WM-Trainingscamp der USA: Auch ohne Top-Team Top-Favorit
Las Vegas (dpa) - Vor zwei Jahren schwitzten noch LeBron James, Kobe Bryant, Carmelo Anthony oder Chris Paul im US-Trikot auf dem Gelände der Universität von Nevada. Wer dieser Tage im Thomas & Mack Center von Las Vegas vorbeischaut, sucht vergeblich nach den Olympiasiegern.
Auch Meister Kawhi Leonard sowie die Allstars LaMarcus Aldridge, Russell Westbrook, Blake Griffin und Kevin Love fehlen im ersten Trainingscamp der US-Basketballer auf die Ende August beginnende Weltmeisterschaft in Spanien.
Die Überflieger fehlen Trainer Mike Krzyzewski aus persönlichen Gründen oder haben verletzungsbedingt abgesagt. Dafür schuften nun beispielsweise Bradley Beal und Andre Drummond, die bei den Washington Wizards und Detroit Pistons in der Profiliga NBA gerade ihre zweite Saison absolviert haben.
Die Tageszeitung „USA Today“ verpasste dem Kader prompt das Prädikat „anfällig“ und meinte nicht zuletzt die Center-Position, wo Love und Aldridge spielen könnten. Hier wird viel Arbeit auf Olympiasieger Anthony Davis zukommen, zumal die Ersatzleute DaMarcus Cousins und Drummond keine internationale Erfahrung haben. Dies könnte im erhofften WM-Finale am 14. September gegen Spanien eine Schwachstelle sein. Denn die Gastgeber bieten unter dem Korb mit Marc und Pau Gasol sowie Serge Ibaka ein Super-Trio auf.
„Kann das ausgedünnte US-Team noch WM-Gold gewinnen?“, fragte die „Sports Illustrated“ bereits vorsichtig. Die klare Antwort lautet: Ja, es kann. Krzyzewski und Jerry Colangelo, Direktor von Team USA, können auf einen Talentepool zurückgreifen zu können, wie ihn kein anderes Land der Welt hat. Und so gaben sich beide in Las Vegas ausschließlich positiv. Natürlich seien die Absagen ärgerlich, so Colangelo. Aber wie Krzyzewski präferiert er seit Jahren Spieler, die flexibel und somit auf mehreren Positionen einsetzbar sind.
Die fehlende Größe, Masse und Erfahrung bei den Centern gleichen die Amerikaner mit Athletik und Tempo aus. Zudem haben sie in der Vergangenheit gegen Spanien - unter anderem beim 107:100-Sieg im Olympia-Finale in London - mit einer kleinen Aufstellung gespielt und so enormen Druck auf die gegnerische Defensive ausgeübt. Und dann haben die USA noch Kevin Durant, den wertvollsten Spieler der Saison.
Obwohl Krzyzewski auf der Spielmacher-Position die Olympiasieger Paul, Deron Williams und Westbrook fehlen, droht hier kein Qualitätsverlust. Denn Derrick Rose, der in den vergangenen beiden NBA-Spielzeiten aufgrund komplizierter Knieverletzungen nur zehn Partien für die Chicago Bulls absolvieren konnte, hat sich seit Montag in für alle Beobachter hervorragender Form zurückgemeldet.
„Er sieht beeindruckend aus, so, als wäre er gerade MVP geworden“, meinte Paul George. Krzyzewski attestiert Rose gar „eine bessere Form als vor vier Jahren“. 2010 hatte Rose zusammen mit Durant die USA zum ersten WM-Titel seit 1994 geführt. Er sei auf einer Mission, ließ der 25-Jährige wissen. „Mein Selbstvertrauen ist unermesslich. Ich habe den ganzen Sommer jeden Tag hart für diesen Moment trainiert, mir den Hintern aufgerissen“, so Rose.
Obwohl die WM in der amerikanischen Öffentlichkeit keinen großen Stellenwert genießt, gehen Krzyzewki und Co. die Titelverteidigung höchst professionell an. In vier Trainingscamps bereiten sie den Auftakt am 30. August gegen Finnland vor. Vorbei sind die Zeiten, als man mit einer großen Portion Überheblichkeit antrat, nach einem Kurz-Trainingslager nur der individuellen Klasse vertraute - und dafür bestraft wurde. Platz sechs 2002 gilt als einer der größten Flops der US-Basketball-Geschichte. 2006 reichte es nur zu Bronze.
Jetzt gibt es regelmäßige Trainingscamps. Spieler wie Durant, Davis, Rose oder James Harden sind seit Jahren mit dem System vertraut. Diese Kontinuität, gepaart mit der Qualität und den individuellen Fähigkeiten sowie dem Respekt vor mit NBA-Spielern gespickten Gegnern wie Argentinien, Brasilien oder Spanien machen Team USA zum WM-Favoriten - auch ohne LeBron James oder Kobe Bryant.