Biedermanns neue Stärke: Abstand zum Schwimmen gefunden
Berlin (dpa) - Dieses Sabbatical hat etwas in Paul Biedermann ausgelöst. Bei seinem ersten wichtigen Langbahn-Wettkampf seit Olympia 2012 gibt der Freistil-Weltrekordler neben guten Leistungen auch gelassen eine neue Sichtweise zum Besten.
„Die Pause war wichtig. Ich habe den Abstand zum Schwimmen gefunden. Ich gucke auf diese Schwimmblase von außen drauf und stecke nicht mehr so drin“, sagt der 27-Jährige bei den deutschen Meisterschaften in Berlin. „Das löst vieles, das nimmt mir viel Druck und macht vieles einfacher.“
Mit „Motivation und Kraft“ kam Biedermann aus dieser Pause zurück. Für den Lebenspartner der zurückgetretenen Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen ist das Schwimmen „nach wie vor das Wichtigste, aber es ist nicht mehr Alles.“ Training und „das ganze Drumherum“ kann der Profi nun mehr wertschätzen, hat aber auch schon das Karriereende nach Olympia 2016 in Rio im Blick. „Wenn ich aufhöre mit Schwimmen, habe ich immer noch 30 Jahre Arbeit vor mir.“
Biedermanns Rückkehr war mit starken Zeiten und den Titeln über 400 und 100 Meter Freistil nach dem krankheitsbedingten Ausfall 2013 schon vor seiner Spezialstrecke 200 Meter am Sonntagnachmittag ein voller Erfolg. Und dort schwamm er dann in 1:46,25 Minuten die zweitbeste Zeit in Europa - nur Olympiasieger Yannick Agnel (Frankreich) war schneller in diesem Jahr.
Über die prestigeträchtigen 100 Meter Kraul war Biedermanns europäische Jahresbestleistung von 48,31 Sekunden (nur sieben Hundertstel über dem deutschen Rekord) so überraschend gut, dass er aus der deutschen Freistilstaffel über 4 x 100 Meter bei der EM in Berlin vom 13. bis 24. August eigentlich nicht wegzudenken ist.
Das Problem: Staffel und 400 Meter sind am selben Tag. Eine Entscheidung wird Biedermann mit Heimtrainer Frank Embacher und Chefbundestrainer Henning Lambertz erst nach dem Überprüfungswettkampf in Essen (17. bis 20. Juli) treffen, bei dem die EM-Tickets endgültig vergeben werden.
Biedermann hatte die 100 Meter verstärkt trainiert, um auf den längerem Freistil-Distanzen auch das immer höhere Anfangstempo der internationalen Spitze besser als bisher mitgehen zu können. Dies war ganz im Sinne des Chefbundestrainers, der auch angesichts des schwächelnden Nachwuchses voll des Lobes war. „Extrem konzentriert und fokussiert“ empfand Lambertz seinen Vorschwimmer. Biedermann wäre nach jetzigem Stand für alle drei Staffeln gesetzt. Das heißt aber nicht, dass er auch alles schwimmt.
„Es ist, glaube ich, schon erstmal seine Entscheidung“, sagt sein Heimtrainer Embacher über seinen langjährigem Schüler mit mitunter eigenem Kopf. Auch Lambertz will sich beim oft brisanten Schwimmer-Dauerthema „Wer schwimmt wann was“ nicht zu weit vorwagen. Man müsse gemeinsam überlegen, „ob so was von ihm leistbar ist. Es bringt nichts, wenn man ihn in eine Strecke reinjagt.“
In den Tagen eitler Harmonie vergaß Biedermann auch das Lob an den Verband nicht, mit dem er nicht immer auf einer Linie lag. „Dass wir die Freigabe vom DSV hatten, das so machen zu können“, sagte er anerkennend über die von Lambertz & Co. gelassene lange Leine.