Biedermanns Trainer: Paul relativ entspannt
Essen (dpa) - Paul Biedermanns Trainer hat keine Zeit mehr zu verlieren. Nach einer Stippvisite verließ Frank Embacher die zweite EM-Qualifikation der deutschen Beckenschwimmer in Essen und eilte nach Halle/Saale.
Dort muss er mit dem Freistil-Weltrekordler das lösen, was Embacher in der ihm eigenen ironisch-süffisanten Art „kleine Problemchen, was den Herrn Biedermann betrifft“ nennt. Keinen Monat vor Beginn der Heim-EM in Berlin (13. bis 28. August) würde jeglicher Trainingsausfall wegen Krankheit nahezu alle Trainer dieser Welt beunruhigen - nicht aber Biedermann selbst.
„Er war in den letzten zwei Wochen nur zwei Tage im Wasser. Vielleicht bin ich derjenige, der am meisten Sorgen hat. Paul sieht das relativ entspannt“, sagte Embacher am Freitag. Durch eine Umschichtung der Trainingsinhalte hofft der erfahrene Coach, den Ausfall auf „drei bis vier Tage“ begrenzen zu können.
Mut machen ihm und Chef-Bundestrainer Henning Lambertz die bislang starken Vorstellungen Biedermanns in diesem Jahr. Nachdem er wegen Krankheiten auf die komplette Langbahn-Saison 2013 verzichtet hatte, feierte der Doppel-Weltmeister von 2009 bei den deutschen Meisterschaften Anfang Mai ein starkes Comeback: Er siegte nicht nur über seine Spezialstrecken 200 und 400 Meter, sondern auch über die 100 Meter Freistil.
Daher hat Biedermann auch ohne den für alle obligatorischen Überprüfungswettkampf in Essen seine EM-Fahrkarte sicher. „Paul ist Paul. Er hat eine Sonderstellung, weil er so ein hervorragender Athlet ist. Wer die Nummer eine der Leistungshierarchie ist, wird anders behandelt“, stellte der Chef-Bundestrainer klar. Er habe entschieden, dass Biedermann besser trainieren solle und auf den vom Kurzbahn-Weltmeister selbst angebotenen Start verzichtet.
Zu den vom Deutschen Olympischen Sportbund erwarteten sechs bis acht EM-Medaillen im Becken muss Biedermann einiges Edelmetall beisteuern, soll diese Rechnung aufgehen. Eine Medaillenprognose für seinen langjährigen Schüler wollte Embacher nicht abgeben: „Er wird sein Bestes geben. Ob das dann Gold, Silber, Bronze, Vierter oder Fünfter ist, ist eine andere Sache.“
Vor allem an der Renntaktik und an den Sprintqualitäten haben die beiden gearbeitet. „Er hat das Vermögen, ein Rennen zu lesen. Paul hat sich selten verpokert“, sagte Embacher. „Wenn Leute schneller waren, hatten sie mehr drauf. Er hat kein Rennen verschlafen.“ Oft hatte sich der Olympia-Fünfte auf seine starke letzte Bahn verlassen, nun soll Biedermann auch ein hohes Renntempo von Beginn an mitgehen können. „Es ist wichtig, dass man variabel ist. Bis jetzt war Paul ausrechenbar. Er hat sich in seiner Renntaktik erweitert“, erklärte Embacher.
Für den Erfolg griff das Duo auch auf Altbewährtes zurück, verzichtete auf spezielles Krafttraining. „Das ist ihm nicht so gut bekommen, wir haben reagiert und das abgesetzt.“ Embacher warnte vor dem Urteil, nur Olympiasieger und Weltmeister Yannick Agnel (Frankreich) sei Biedermanns einziger EM-Gegner. „Man darf nicht sagen, es geht nur um Platz eins oder zwei.“ Man denke von Rennen zu Rennen: „Es geht manchmal auch um erstmal darum, den Endlauf zu erreichen.“