Boxverbände beraten Sperre gegen Chisora

London (dpa) - Nach dem Prügel-Skandal von München formieren sich die Boxverbände weltweit für eine Bestrafung Chisoras. In München ermittelt die Staatsanwaltschaft. Lebenslange Sperren sind aber knifflig.

Zunächst wurde die Geldstrafe auf 70 000 Dollar erhöht.

In Deutschland soll Gewalttäter Dereck Chisora nie mehr in einen Boxring steigen, weltweit droht ihm eine Sperre zumindest für ein Jahr. „Ich möchte diesen Mann nie mehr im Leben in einem deutschen Boxring sehen“, sagte Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB). Das BDB-Präsidium will sich in den nächsten Tagen mit möglichen Sanktionen für Chisora wegen der Prügelei mit Landsmann David Haye nach seiner Niederlage gegen Vitali Klitschko beschäftigen. Pütz ist sich allerdings nicht sicher, ob juristische Bedenken das beabsichtigte Strafmaß des deutschen Verbandes torpedieren könnten. Eine lebenslange Sperre kann als Berufsverbot angefochten werden.

Chisora zeigte sich als reuiger Sünder. „Ich möchte mich von ganzem Herzen entschuldigen“, ließ er sich in einem Statement zitieren. Sein Verhalten sei „unentschuldbar“, aber Vorfälle hinter den Kulissen hätten seinen Frust überschäumen lassen. „Ich habe meine Familie, mein Team und vor allem den Sport, den ich liebe, enttäuscht“, bekannte Chisora.

Gegen Haye wird wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung ermittelt, wie ein Polizeisprecher bestätigte. Die Staatsanwaltschaft müsse nun über das weitere Vorgehen gegen Haye entscheiden. Weil er einen früheren Heimflug nahm, hatte er sich einer Festnahme in München entziehen können. „Ich weiß, ich bin kein Engel, aber in meinen 21 Jahren im Sport war ich noch nie an einem solch ernsten Vorfall beteiligt - oder habe so etwas auch nur gesehen“, beteuerte Haye in einer am Montag verbreiteten Erklärung.

Die zunächst auf 50 000 Dollar festgesetzte Strafe für Chisora ist laut BDB mittlerweile auf 70 000 Dollar erhöht worden. Dieser Teil von Chisoras 500 000-Dollar-Börse wurde mittlerweile einbehalten. Das Geld soll zu gleichen Teilen an gemeinnützige Einrichtungen und Stiftungen in Deutschland und des Weltboxverbandes WBC fließen.

Auch international werden Sanktionen gegen Schläger Chisora vorbereitet. Der 28 Jahre alte Londoner hatte sich Samstagnacht nach seiner Schlappe gegen WBC-Weltmeister Vitali Klitschko in München eine Schlägerei mit seinem Landsmann und früheren WBA-Weltmeister Haye geliefert. Deren Trainer waren ebenfalls beteiligt. Das Ganze geschah während der abschließenden Pressekonferenz in der Olympiahalle. Es gab Verletzte unter den Prügelnden.

Chisora drohte, Haye erschießen zu wollen. Die Polizei hatte den gebürtigen Simbabwer am Münchner Flughafen festgenommen und drei Stunden verhört. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der leichten Körperverletzung.

Der britische Verband British Boxing Board of Control lud Chisora für den 14. März zu einer Sondersitzung vor und will dann über Sanktionen beraten. Hier ist eine einjährige Suspendierung im Gespräch. Die Londoner „Times“ schrieb von „Neandertalern“, „Daily Star“ sah „das britische Boxen in die Gosse gerissen“ und die „Daily Mail“ forderte: „Verbannt diese Gangster“. WBC-Präsident Jose Sulaiman kündigte an, Chisora mindestens für ein Jahr nicht mehr für Kämpfe zuzulassen, die vom WBC angesetzt werden.

Sportliche Strafen für Haye stehen derzeit nicht zur Debatte. Zwar wird dem Ex-Champion vorgeworfen, den ersten Schlag geführt zu haben. „Das kann man aber auch als Selbstschutz sehen. Schließlich kam Chisora vom Podium herunter, stieß dabei Drohungen aus und stürzte auf Haye zu“, sagte Pütz. Während Haye, der im vergangenen Jahr einen WM-Kampf gegen Wladimir Klitschko verlor, als berechnender Showman mit großer Klappe gilt, wird Chisora als gemeingefährlich eingestuft, der sich häufig nicht unter Kontrolle hat.

Haye besitzt zudem keine Boxlizenz mehr. Die hat er an seinem 31. Geburtstag im vergangenen Jahr abgegeben. Damit steht er nicht unter der Jurisdiktion des britischen Verbandes. In München war Haye als Co-Kommentator für einen britischen Fernsehsender im Einsatz.

Haye versicherte dennoch, er werde die Boxbehörden bei ihren Untersuchungen bereitwillig unterstützen. In einer langen Erklärung auf seiner Internetseite stellte er die Vorgänge aus seiner Sicht dar. „Ich brauche nicht zu sagen, dass ich tief enttäuscht bin, an den Ereignissen von Samstagnacht beteiligt gewesen zu sein“, betonte Haye.

Pütz würdigte ausdrücklich das Verhalten der Klitschkos. „Die sind nicht nur Champions im, sondern auch außerhalb des Rings.“ Sowohl Vitali, der eine schallende Ohrfeige von Chisora erhielt, als auch Bruder Wladimir, dem der Engländer unmittelbar vor dem Kampf ins Gesicht spuckte, hielten sich trotz verständlicher Wut zurück und attackierten den Provokateur nicht. „Diese eiserne Selbstdisziplin ist bewundernswert“, sagte der BDB-Präsident. Er war von Chisora als „fucking german guy“ beschimpft worden.