Brähmers kurze Wege: Via Kindergarten zum Titelkampf

Rostock (dpa) - Boxweltmeister Jürgen Brähmer arbeitet Teilzeit. Früh und vormittags trainiert er für seine Titelverteidigung in Rostock, nachmittags und abends ist er Vater im Aktivmodus.

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Für das eine erhält er vom Sauerland-Boxstall ein fürstliches Salär, für das andere Streicheleinheiten von Lebenspartnerin Tatjana. Brähmers Doppelrolle bei zwei kleinen Kindern - Tochter Jasmin ist drei Jahre, Söhnchen Joris vor wenigen Monaten geboren - ist durchorganisiert. Da bleibt für das übliche Trainingslager „janz weit draußen“ keine Zeit. Andere bereiten sich in den Bergen Österreichs oder Bulgariens auf ihre Titelkämpfe vor, Brähmer übte daheim in der Schweriner Boxhalle, um nach dem Training Jasmin vom Kindergarten abholen zu können.

„Jürgen braucht das. Er unterstützt seine Frau“, betont sein Trainer Karsten Röwer. Trotz der Mehrbelastung ist der Optimismus seines Schützlings ungebrochen, am Samstag in der Rostocker Stadthalle seinen WBA-Weltmeistergürtel im Halbschwergewicht gegen den Münchner Robin Krasniqi erfolgreich verteidigen zu können. „Robin ist ein ehrgeiziger junger Mann, aber ich werde den Titel behalten“, sagte der 36 Jahre alte Champion. Daran hat auch Röwer keinen Zweifel: „Robin hat nicht die Technik und die Schlaghärte wie Jürgen.“

Krasniqi, der nicht verwandt ist mit dem ehemaligen Schwergewichts-Europameister Luan Krasniqi, aber ebenfalls aus dessen kosovarischem Geburtsort Junik kommt, sieht sich im leichten Vorteil. Denn die Nummer eins der WBA-Rangliste hat ein richtiges Trainingslager absolviert und fühlte sich danach gewappnet wie nie. Im Bayerischen Wald habe er unglaublich geschruppt, erklärt er. „Das war die härteste Vorbereitung meiner Karriere. Es war kalt und einsam.“ Brähmer frohlockt: „Bei mir war es nicht so kalt.“

Krasniqi nimmt zum zweiten Mal Anlauf auf den WM-Titel. Vor zwei Jahren wollte der 27-Jährige aus dem Magdeburger SES-Stall dem Waliser Nathan Cleverly in London den WBO-Gürtel entreißen, scheiterte aber deutlich nach Punkten. „Der Junge war zu unerfahren. Aber er hat hinzugelernt“, meint Kalle Sauerland. Eine Überraschung am Samstag schließt der Promoter aber aus. „Jürgen ist für mich unschlagbar in der Gewichtsklasse.“

Sauerland lobt die Einstellung seines Schützlings. „Er ist klar im Kopf. Er weiß, was er will. Es ist, als wäre er frisch in diesen Sport gekommen.“ Deshalb kann der Chef des Berliner Boxstalls der These nicht zustimmen, in Rostock würde der „alte Weise gegen den jungen Löwen“ antreten. „Man soll sich nicht täuschen: Jürgen ist der Löwe“, sagt er. Daran könne auch Krasniqis Motivation nichts ändern, denn der gebürtige Kosovo-Albaner glaubt: „Ich kann Geschichte schreiben. Ich kann der erste Boxweltmeister aus dem Kosovo werden.“

Mit Blick auf große Kämpfe für Brähmer hat Sauerland Kontakt mit dem Management von WBC-Weltmeister Adonis Stevenson aus Kanada aufgenommen. Auch der britische Supermittelgewichts-Weltmeister Carl Froch, der einst Arthur Abraham deklassierte, ist eine Option. „Jürgen traut sich auch einen großen Kampf in den USA zu“, sagt Sauerland. Von Herbst an könnte es ein deutsches Turnier mit Brähmer, Abraham, Robert Stieglitz und Felix Sturm geben. Das natürlich im Supermittelgewicht. Für Halbschwergewichtler Brähmer ist das kein Problem: „Da nehme ich eben zwei Kilo ab.“