Culcays Leidenschaft ist Training: Kein Disco-Interesse
Hamburg (dpa) - Boxer Jack Culcay hält einen Rekord, auf den er nicht stolz ist: sechs Profi-Jahre, acht Trainer.
„Bis auf eine Ausnahme war das nie meine Entscheidung. Entweder die Trainer sind woanders hingegangen, oder mein Management hat so entschieden“, sagt der Interimsweltmeister im Halbmittelgewicht. „Ich habe bewusst nur einmal einen Trainerwechsel vorgenommen.“
Am 5. Dezember verteidigt er in der Hamburger Inselparkhalle seinen WBA-Titel gegen den unbesiegten Iren Dennis Hogan. In seiner Ecke: Trainer Ulli Wegner. „Ich habe Herrn Wegner unbedingt als Coach gewollt. Bei ihm bin ich in den besten Händen“, betont Culcay.
Einer sieht das genauso, hat aber ein großes Manko entdeckt. „Es wäre schön gewesen, er wäre fünf Jahre früher zu mir gekommen“, meint der Coach, der auch Supermittelgewichts-Champion Arthur Abraham betreut. Dann gerät er ins Schwärmen. „Was Jack mitbringt, habe ich noch gar nicht erlebt: diese Vielseitigkeit! Er verfügt über unheimlich viel Potenzial.“
Der 73-Jährige lässt sich zu einem gewagten Vergleich hinreißen. „Ich kenne die Weltspitze. Er hat die Veranlagung wie Floyd Mayweather.“ Aber Wegner hat auch Defizite ausgemacht: „Jack muss mehr Ruhe reinbringen.“ Und er muss seine Deckung verbessern.
Culcay fühlt sich seit seinem Wechsel nach Berlin in das Gym des Sauerland-Boxstalls wesentlich wohler. „Da ist Arthur Abraham mein Sparringspartner. Ich mag es, mit schwereren Jungs zu trainieren“, erzählt der 69-Kilo-Athlet. „Das Umfeld mit mehreren Boxern in einer Halle motiviert mich. Früher war ich meistens allein.“
Ab und an muss Wegner seinen Schützling bremsen. Dann heißt es, „immer langsam mit die jungen Pferde“. Für Culcay ist Trainingsbesessenheit wie ein Lebenselixier. „Ich habe immer trainiert ohne Ende. Mich muss keiner zwingen zu laufen. Ich mach das gern, das ist meine Leidenschaft. Ich versuche, alles aus mir herauszuholen.“ Für Training wird selbst die Familie in die zweite Reihe abgeschoben. „Ich habe gerade drei Geburtstage verpasst: von Vater, Bruder und Schwester. Das ist ein Verlust, der wehtut.“
Deshalb sei die Zeit für Frau und Kinder noch nicht reif, meint der 30-Jährige. „Schon als 14-, 15-Jähriger war ich lieber im Gym. Ich hatte nie Interesse für Disco. Ich vermisse das überhaupt nicht“, verrät Culcay, der in Ecuador geboren wurde und mit fünf Jahren nach Deutschland kam.
Gegen Hogan am Samstag will er überzeugen. „Ich mag das schöne Boxen, dann fühle ich mich besser“, sagt der Darmstädter. „Ich möchte spektakulär boxen.“ Wenn er gewinnt, kommt im nächsten Jahr ein Duell mit dem regulären WBA-Weltmeister Ersilandy Lara aus Kuba infrage. Als Interimsweltmeister ist er nämlich erster Anwärter auf einen Titelkampf - wenn er den Iren denn schlägt. Aber zunächst freut sich der einstige Amateur-Weltmeister auf Weihnachten. „Endlich Familie. Und ich sehe meine Dobermann-Hündin wieder. Sie war vier Monate bei meinem Vater ohne mich. Sie leidet.“