Harutyunyan als Beispiel für erfolgreiche Integration
Hamburg (dpa) - Mit der brasilianischen Fahne um die Schulter rannte Artem Harutyunyan durch die Hamburger Inselparkhalle. Das sollte heißen: „Rio, ich komme!“ Der Hamburger Boxer hatte sich gerade für die Olympischen Spiele qualifiziert.
Der einstimmige Punktsieg (79:73, 79:73, 79:73) am Donnerstagabend im WM-Ausscheid gegen den Algerier Abdelkader Chadi bescherte dem 24 Jahre alten Profi des olympischen Verbandes AIBA als zweitem deutschen Boxer nach Superschwergewichts-Weltmeister Erik Pfeifer das begehrte Ticket.
„Ich habe als Hamburger Jung' den Sieg für Deutschland und Hamburg erkämpft“, rief der Halbweltergewichtler mit dem sperrigen Namen, der in Armenien geboren wurde und im Baby-Alter mit seiner Familie nach Deutschland kam. Sein Vater, der unter den begeisterten 1200 Zuschauern saß, war überwältigt. „Papa hat geweint“, erzählte Harutyunyan. Jetzt drückt er seinem 15 Monate älteren Bruder Robert die Daumen. Auch der Leichtgewichtler möchte zu Olympia.
Neugieriger Gast der ersten Veranstaltung von AIBA Pro Boxing (APB) in Deutschland war Henry Maske. „Ihr habt ein tolles Produkt, aber ihr macht die Tür nicht weit genug auf“, erklärte er Jürgen Kyas, dem Präsidenten des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV). Gemeint ist der Bekanntheitsgrad der Reihe, für die sich nunmehr auch TV-Sender interessieren.
In Rio dürfen erstmals 20 Profiboxer in den Ring steigen. Diese müssen allerdings der Profi-Abteilung der AIBA angehören. „Es ist aufregend“, gestand Trainer Michael Timm, der schon Profi-Weltmeister wie Felix Sturm, Jürgen Brähmer und Ruslan Chagaev betreute. „Artem ist mein erster Olympia-Teilnehmer.“ In früheren Zeiten fühlte sich der einstige Profi-Weltmeister Maske versetzt. „Olympia war für mich das Größte“, schwärmte der Olympiasieger von 1988.
Den Erfolg Harutyunyans sah Kyas in größerem Zusammenhang. „Boxen ist ein Beispiel für die erfolgreiche Bewältigung von Problemen unserer Zeit. Es steht für Integration und Gewaltprävention“, sagte der 70 Jahre alte Verbandschef. Hamburgs Innensenator Michael Neumann, einer der Vorkämpfer für Olympische Spiele in der Hansestadt, pflichtete Kyas bei: „Der Boxsport ist ein wunderbares Beispiel: Es ist nicht entscheidend, wo du herkommst, was deine Eltern gemacht haben. Boxen macht den olympischen Geist deutlich.“
Schon im September folgt eine zweite APB-Veranstaltung in Hamburg. Dann verteidigt Weltmeister Pfeifer seinen Titel. Vielleicht darf dort auch Harutyunyan um den WM-Titel gegen den Russen Armen Sakarjan kämpfen.