Klitschkos K.o.-Kracher: „Pulew hat den Preis bezahlt“
Hamburg (dpa) - Fünf Runden, vier Niederschläge, ein K.o. - Boxweltmeister Wladimir Klitschko hat seinen 63. Sieg beeindruckend und für Herausforderer Kubrat Pulew besonders schmerzhaft in Szene gesetzt.
Der 35-jährige Bulgare konnte in der Nacht zum Sonntag nicht mehr zur abschließenden Pressekonferenz erscheinen und musste stattdessen in ein Hamburger Krankenhaus: Die erste Diagnose von Ringarzt Stephan Bock auf Mittelgesichtsfraktur am Jochbein bestätigte sich nicht.
„Es ist nichts gebrochen. Alle Ergebnisse bei der CT waren unauffällig. Der Arzt meint: Es ist nichts Schlimmes passiert“, sagte Pulews Trainer Otto Ramin. Eine Gehirnerschütterung hat der Bulgare aber davongetragen. „Er war sehr schwer gezeichnet“, sagte Bock. Nach 2:11 Minuten der fünften Runde musste Pulew einen krachenden linken Haken von Klitschko hinnehmen, ging zu Boden und wurde ausgezählt. Drei Niederschläge in den Runden zuvor waren dem Finale furioso vorausgegangen. „Unfassbar, beeindruckend“, schwärmte Ex-Weltmeister Henry Maske.
Der 38-jährige Klitschko hat mit seiner 17. Titelverteidigung gegen einen der besten Konkurrenten, den das Schwergewicht derzeit zu bieten hat, seine Vormachtstellung und Unerreichbarkeit zementiert. „Wladimir ist der beste Techniker der Welt. Er wird mit jedem Kampf besser. Ich sehe keinen, der ihn schlagen kann“, belobigte Ex-Weltmeister und Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko seinen Bruder. Jetzt ist die große Motivation, neben den WM-Gürteln von WBO, IBF und WBA auch den früheren WBC-Titel von Vitali Klitschko in die Familie zurückzuholen. „Das ist das höchste Ziel“, betonte Manager Bernd Bönte. Den Gürtel besitzt der Kanadier Bermane Stiverne.
Der nahezu unversehrte Sieger bekannte, „ein bisschen emotional“ in den Kampf gegangen zu sein. Noch nie habe er bei einem Gegner „diese Arroganz und keinen Respekt“ gesehen, entrüstete sich der seit acht Jahren amtierende Champion. „Er ist wie ein Mädchen!“, hatte Pulew seinen Rivalen vor dem Duell beleidigt. Dem waren Dauerfehden zwischen beiden Ställen vorausgegangen. „Ich habe versucht, die Emotionen im Griff zu behalten“, berichtete der Ukrainer. Nach dem Sieg las er dem Bulgaren die Leviten. Den Inhalt der Tirade wollte „Dr. Steelhammer“ nicht verraten. Nur so viel: „Das war eine gute Lehre für Pulew. Er hat den Preis bezahlt.“
Die giftige Atmosphäre in der ausverkauften Hamburger O2-Arena habe ihn beflügelt, meinte Klitschko. „Es ist leichter für mich, wenn die Halle gegen mich ist.“ Tausende bulgarische Fans hatten dem mutigen, aber chancenlosen Pulew ein Heimspiel bereitet. Klitschko gab sich missionarisch: „Ich möchte auch die Herzen der Fans gewinnen, die gegen mich sind.“ Einen Eisbeutel auf die riesige Schwellung unter dem rechten Auge drückend, zögerte Pulew mit einer Ehrerbietung: „Wladimir ist ein wirklich großer Kämpfer. Ich denke, er hat Glück gehabt. Ich will Revanche haben, das nächste Mal gewinne ich.“
Den Zwist im Vorfeld wollte Bulgariens Sportler des Jahres nicht beilegen: „Klitschko ist ein schlechter Spieler. Er war nicht korrekt.“ Vermutlich spielte er auf die Dopingkontrollen im Training an, die Klitschko ablehnt, während er selbst in der Vorbereitung sechsmal getestet wurde. Genauere Erklärungen gab es nicht. Das Sauerland-Lager erschien nicht zur Pressekonferenz. „Manchmal gibt es Wichtigeres im Leben: Ich musste mich um meinen Boxer kümmern“, sagte Promoter Kalle Sauerland.
Klitschko setzte mit diesem Gefecht Maßstäbe für sich selbst. Immer mehr hatte der Sportwissenschaftler in den vergangenen Jahren seine Dominanz zu einem kühlen Schachbrett-Boxen verkommen lassen. Linker Jab und Klammern waren die Arbeitsmittel. Diesmal boxte Klitschko leidenschaftlicher, bediente sich seines großen technischen Arsenals. „Ich habe ein gewisses Talent, was ich oft nicht zeige. Ich bin ein Spätblüher, fühle mich im Alter besser als zuvor“, verriet er und befand: „Vielleicht muss man aggressiver agieren.“ Das sehen wohl auch die 9,16 Millionen TV-Zuschauer der RTL-Übertragung so.
Am Sonntag reiste der Champion zu seiner hochschwangeren Verlobten Hayden Panettiere nach Nashville. „Ich hoffe, dass ich die Geburt nicht verpasse.“ Sein Bruder, der drei Kinder hat, habe ihm immer „von seinen Heldentaten“ erzählt. Da will der vier Jahre jüngere Klitschko mithalten. „Ich habe 38 Jahre auf diesen Moment gewartet. Ich bin aufgeregt. Das ist der schönste Moment im Leben.“