Powetkin mit vaterländischer Mission
Moskau (dpa) - Eigentlich ist Wladimir Putin mit Leib und Seele Judoka. Russlands Präsident, Träger des achten Dans und einst Stadtmeister von Sankt Petersburg, wird seinem Lieblingssport am Samstag aber untreu.
Dann läuft er zu den Boxern über.
Sein Landsmann Alexander Powetkin schickt sich in der riesigen Moskauer Olympia-Arena an, dem dreifachen Weltmeister Wladimir Klitschko aus der Ukraine die Gürtel zu entreißen. Diese geradezu vaterländische Mission hat Putin zur Chefsache erklärt und will sie direkt am Ring beaufsichtigen. Gern, so hieß es, hätte er das Schwergewichtsduell um die Titel der Verbände WBA, WBO und IBF auf Montag verlegen lassen. Denn dann feiert der Präsident seinen 61. Geburtstag. Doch das klappte nicht. Geschenke sind aber auch zwei Tage zuvor willkommen.
Powetkin ist wie Klitschko Olympiasieger. Der Russe holte sich 2004 in Athen Gold, der Ukrainer Klitschko schaffte das 1996 in Atlanta. Das waren aber auch schon die Gemeinsamkeiten. Denn für Powetkin gibt es lediglich 4,3 Millionen Euro, Mehrfachchampion Klitschko streicht mit 12,88 Millionen Euro den Löwenanteil ein. Der 37 Jahre alte Ukrainer sieht im Auswärtsauftritt gar einen Vorteil. „Ich fühle mich immer dann am stärksten, wenn ich viele gegen mich habe. Das motiviert mich zusätzlich“, sagte er der „Bild am Feiertag“. „Je mehr Trubel, desto besser schmeckt es mir.“
Powetkin spürt dagegen die Erwartungen. „Ich habe mit diesem Kampf eine große Verantwortung“, betont er und schwört: „Ich kann mit Druck umgehen.“ Das muss er auch, denn von ihm erwarten seine Landsleute nicht weniger als eine dicke Überraschung. Internationale Beobachter sind skeptisch. Schon zweimal hätte der Russe gegen Klitschko antreten sollen, beide Male fiel das Duell aus. „Da gab es immer handfeste Gründe. Ich habe nie gekniffen“, entschuldigt sich Powetkin. 2008 hatte er eine Verletzung am Sprunggelenk erlitten, 2010 setzte sein damaliger Trainer Teddy Atlas ein Stopp-Signal, nachdem sein Vater gestorben war.
Powetkin hat nicht das Charisma von Klitschko. Er ist zehn Zentimeter kleiner, hat nicht den Herkules-Körper seines prominenten Gegenüber. Powetkin reist nicht um die Welt, gehört nicht zum Jetset, hat keine Hollywood-Freunde, findet sich nicht in den bunten Magazinen wieder. Powetkin ist schweigsam und eigentlich nicht der Mann für Schlagzeilen. „Ich mag keinen großen Rummel“, sagt der 34 Jahre alte einstige Amateur-Weltmeister. Diesmal aber kann er Schlagzeilen produzieren. Auch er weiß: Je größer die Gegensätze, desto reizvoller das Duell.
„Russki Witjas“, russischer Ritter, wird der in Kursk geborene Athlet genannt. Das klingt nach Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Härte. „Ich will die Ehre des russischen Volkes verteidigen“, verkündet er staatsmännisch. In seinem Basislager in Berlin ist man guter Dinge. „Er wird in der Verfassung seines Lebens sein“, beteuert Kalle Sauerland, Powetkins Promoter. Allerdings konnte der in 26 Profi-Kämpfen unbesiegte Champion bislang kein Spektakel abliefern. Zumeist war es solides Boxhandwerk, mitunter - wie gegen den Cruisergewichtschampion und Stallkollegen Marco Huck - auch dürftig. Powetkin hat Eddie Chambers geschlagen, auch Larry Donald, Chris Byrd, Ruslan Chagaev und Hasim Rahman. Sein aktueller Gegner aber ist eine andere Kategorie.
Klitschko ist als Superchampion der WBA eine Art Überweltmeister und damit gewissermaßen Vorgesetzter Powetkins, der nur als einfacher WBA-Weltmeister geführt wird. „Es war immer mein Traum, die Nummer eins im Schwergewicht zu werden. Diesen Traum kann ich mir nun erfüllen“, sagt Powetkin. Sein Umfeld hat er für die große Aufgabe jedenfalls neu sortiert. Im Mai trennte er sich von Trainer Kostya Tszyu. Seither stimmt ihn sein früherer Coach Alexander Zimin auf die Kämpfe ein. Auch sein Manager Wlad Chrunow musste die Koffer packen. Drumherum ist vieles neu. Auch die Leistung im Ring?