Ein Höhenflug in der Fußballprovinz
Der SC Paderborn steht unmittelbar vor dem Aufstieg in die Bundesliga — und das ist kein Zufall.
Paderborn. Die Antwort auf die langweiligste Frage gleich zu Beginn: Nein, das Rathaus von Paderborn hat keinen Balkon, auf dem sich Fußballer für ihre Erfolge feiern lassen können. Was in 400 Jahren seit dem Bau nicht vermisst wurde, ist nun ein Mangel: Wie soll man sonst das Unglaubliche würdigen? Das Unglaubliche, das kurz bevorsteht: Der SC Paderborn wird wahrscheinlich ein Standort der Fußball-Bundesliga.
Bis vor ein paar Jahren hätte man sich eher vorstellen können, dass die Linkspartei die konservativ-katholisch geprägte Stadt übernimmt. Jetzt regiert der örtliche Fußballclub. In den beiden letzten Spielen kann der SC Paderborn aus eigener Kraft den Aufstieg schaffen. Vielleicht gelingt der große Sprung am Sonntag, bei einem Sieg in Aue und einem Unentschieden des Rivalen Fürth wäre die Sensation perfekt. Und nichts weniger als eine Sensation wäre das. Paderborn gibt dreimal weniger Geld für sein Profiteam aus als der Zweitliga-Meister 1. FC Köln.
Geradezu unwirklich erscheint das Paderborner Wunder, wenn man eineinhalb Jahrzehnte zurückrauscht. Da war der SC Paderborn viertklassig, spielte in der Oberliga und kämpfte sich gegen Sprockhövel und Oestrich-Iserlohn zurück in die Drittklassigkeit. Wilfried Finke war da schon Präsident. 1997 hatte der Möbelhändler den Verein übernommen; das ungeliebte Kind einer Fusion zweier ausgezehrter Lokalrivalen mit dem sperrigen Namen „TuS Paderborn-Schloß Neuhaus“. Finke verordnete einen neuen Namen, Sportclub Paderborn 07. Und einen neuen Kurs.
Finke investierte. Der Unternehmer von westfälischer Dickköpfigkeit zahlte Lehrgeld. Doch getreu seinem Lebensmotto „Jeden Tag besser werden, um gut zu bleiben“ eignete sich der erfolgreiche Kaufmann die Gesetze der Fußballbranche an. Und ließ andere an seiner Seite mitwachsen, wie den Manager Michael Born, der als erste hauptamtliche Kraft in der Geschäftsstelle anfing.
Finke, ein ehemaliger Hobbykicker, hat Gespür für den Fußball. Für Trainer: Der Berliner Jos Luhukay und Roger Schmidt, soeben von Bayer Leverkusen geholt, machten sich in Paderborn einen Namen. André Breitenreiter hatte nicht mehr vorzuweisen als zweieinhalb gute Jahre beim Regionalligisten TSV Havelse. Der Ex-Bundesligaprofi Breitenreiter (Hannover 96, HSV, Wolfsburg, Unterhaching) lässt sein Team beherzt stürmen und clever verteidigen. Er ist einer der Vertreter einer neuen Trainergeneration, die mit modernen Methoden arbeitet.
Breitenreiter kann über die Bedeutung der Kinästhetik sprechen und sich den Spielern verständlich machen. Und er weiß, wann er Emotionen Lauf lassen muss. Eins seiner Lieblingswörter: „Vermittlungskompetenz.“ Auf die legt Finke nicht so viel Wert. „Spießbürger“ nennt er die Anwohner, die mit Klagen dafür sorgten, dass das 2002 angeschobene Projekt „Stadion-Neubau“ behindert wurde. Erst 2008/09 konnte der SC Paderborn in die Arena einziehen. Von seinem Büro aus kann der Boss auf das Stadion schauen. Die 15 000-Zuschauer-Arena erfüllt alle Ansprüche der DFL und hat gerade mal so viel gekostet wie die Haupttribüne, deren Bau den Nachbarn Arminia Bielefeld fast in den Abgrund gerissen hätte.
Der Zuschauerschnitt liegt bei 13 000. Da ist es nur eine Randnotiz, dass in der Arena auch in der Bundesliga keine Abendspiele stattfinden dürfen. Die Anwohner haben es durchgesetzt. Egal. Immer noch besser als damals, als der SCP vor 800 Zuschauern im Hermann-Löns-Stadion spielte, mit einer Holztribüne und der Rasen überzogen von einer Hochspannungsleitung. Damals. Vor 14 Jahren.