Ein Viertel Doping-Wahrheit

Die umstrittene Doping-Studie ist enthüllt. Allerdings ist sie stark gekürzt.

Düsseldorf/Berlin. Die Geheimniskrämerei um die lange unter Verschluss gehaltene Studie zum Doping in der Bundesrepublik Deutschland hat ein Ende. Auf Druck der Öffentlichkeit ist am Montag der brisante Abschlussbericht auf der Homepage des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) publiziert worden. Allerdings nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ offenbar stark gekürzt und um viele Details ärmer als die originale Fassung. So tauchen zum Beispiel Namen von einflussreichen Politikern nicht mehr auf.

„Die vielfach formulierte These, das Dopingproblem in der Bundesrepublik sei erst mit dem Konsum von Anabolika in den 1960-er Jahren offen zutage getreten, lässt sich jedenfalls eindrucksvoll widerlegen“, heißt es in dem 117-seitigen inhaltlichen Abschlussbericht der Berliner Humboldt-Universität. Die Geschichte des Dopings in der Bundesrepublik beginne demnach nicht erst 1970, sondern bereits 1949. Bis 1960 seien im deutschen Sport Amphetamine „systematisch zum Einsatz gekommen“. Auch die Elite des deutschen Fußballs hätte die Amphetamine genommen.

Meistens ohne klare Namensnennung wird auch die Mitwisserschaft von damaligen Verantwortlichen im Sport angeprangert. Auch der renommierte Doping-Fahnder Manfred Donike gerät ins Zwielicht. Der inzwischen verstorbene, ehemalige Leiter des Instituts für Biochemie an der Sporthochschule Köln soll laut des Berichts vor den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles bei Absicherungskontrollen im deutschen Team zurate gezogen worden sein. Donike galt bis zu seinem Tod 1995 als einer der angesehensten Anti-Doping-Kämpfer der deutschen Sportgeschichte. „Es stellt sich mithin die Frage, wie ernsthaft Verantwortliche in der deutschen Sportlandschaft den Kampf gegen das Doping tatsächlich betrieben haben “, hieß es.

So sei zum Beispiel der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) in der Anabolika-Frage in mindestens zwei Lager zerfallen. „Während die damals beteiligten Sportmediziner (Steinbach, Mellerowicz) sich gegen den Anabolika-Einsatz aussprachen, hatte DLV-Präsident Max Danz, ebenfalls ein Mediziner, gegen die Anwendung nichts einzuwenden. Seiner Aussage nach habe er selbst regelmäßig diese Präparate verschrieben — „unklar blieb, an wen: Gesunde Olympiakader? Kranke oder Verletzte?“

Forschungen über die Wirkungsweise von Blutdoping seit den 80er-Jahren, Tests an Radsportlern und der Hockey-Nationalmannschaft mit dem umstrittenen Kälberblutmittel Actovegin — für den Nürnberger Pharmakologen Fritz Sörgel ist die Sache klar: „Man hat sich schon früh auf die direkte Manipulation des Blutes konzentriert.“

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Foto, dpa) soll nach Willen der SPD bei der geplanten Sondersitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages Rede und Antwort zur pikanten Studie stehen. Wie die SPD mitteilte, sollen auch der an der Studie beteiligt Giselher Spitzer, BISp-Direktor Jürgen Fischer und DOSB-Präsident Thomas Bach eingeladen werden.

Zeitgleich haben sich frühere DDR-Doping-Opfer für die Gründung eines Fonds für geschädigte Athleten aus dem Westen ausgesprochen. „Wenn es Geschädigte im Westen gibt, muss man Ost und West zusammen denken“, sagte Ines Geipel, Vorsitzende des Dopingopfer Hilfevereins DOH. Geipel hinterfragte auch die Rolle des IOC-Präsidentschaftskandidaten Bach: „Inwieweit ist zum Beispiel auch Thomas Bach involviert? Wenn keine Namen genannt werden, bleibt alles anonym.“

Auch der ehemalige DDR-Weltklassehochspringer Rolf Beilschmidt forderte mehr Transparenz. „Mich überrascht das nicht. Unter uns DDR-Athleten war bekannt, dass auch im Westen gedopt wurde“, bemerkte der heutige Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes Thüringen (LSB). „In der Aufarbeitung wurde nach der Wende lange mit zweierlei Maß gemessen.“ Dagegen ist für Heide Ecker-Rosendahl, Doppel-Olympiasiegerin von 1972, die Enthüllung überraschend. „Ich habe nie von systematischem Doping in meiner Zeit gehört“, sagte sie.