Kaufmann und die Zeit danach

Stockholm (dpa) - In diesen Tagen prasselt einiges auf Evan Kaufmann ein. Der Eishockey-Nationalspieler ist Deutschlands gefragtester Mann bei der WM in Finnland und Schweden.

Egal, ob nach dem Training oder den deutschen Spielen, Kaufmann ist meist der Letzte in der Mixed Zone, um vor allem den internationalen Medien immer wieder die Geschichte zu erzählen, die der in Minnesota geborene Deutsch-Amerikaner im Februar öffentlich machte.

Vor seinem ersten Länderspiel für Deutschland erzählte der 27 alte Stürmer der Düsseldorfer EG der Nachrichtenagentur dpa, dass er der Enkel eines Holocaust-Überlebenden ist. Sein Großvater Kurt, in Wittlich an der Mosel aufgewachsen, floh vor den Nazis in die USA und sprach fortan nie wieder auch nur ein Wort Deutsch. Die Entscheidung, für das Land zu spielen, dass für die Ermordung vieler weiterer Vorfahren Kaufmanns verantwortlich war, war also alles andere als selbstverständlich. „Da muss man schon den Hut ziehen“, sagt auch Bundestrainer Jakob Kölliker. Der Schweizer hatte von der Familiengeschichte Kaufmanns keine Ahnung. Wie so viele.

Auch im Team hatte Kaufmann darüber nicht gesprochen. „Sie waren alle etwas geschockt, als sie realisiert haben, wie meine Familie damit zu tun hatte. Sie wussten alle, dass ich eine deutsche Geschichte hatte. Aber wie die genau aussah, davon hatten sie keine Ahnung“, erzählt Kaufmann. In seiner Heimat USA verbreitete sich rasch die Nachricht vom jüdischen Profi, der für Deutschland spielt.

Reporter der New York Times kamen nach Düsseldorf, um Kaufmanns Leben in Deutschland zu porträtieren. Nach Stockholm, an den deutschen WM-Spielort, reiste eine Kamerateam vom US-Sportsender ESPN für eine Reportage an. Dazu immer wieder die selben Fragen: Wieso haben sie sich entscheiden für das Land der Täter zu spielen? Was sagt ihre Familie dazu? „Deutschland ist heute ein anderes Land. Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute kommen würden, damit sie die Stereotypen endlich ablegen könnten“, sagt Kaufmann dann. „Natürlich will ich niemals vergessen, was passiert ist und genau deshalb rede ich darüber. Aber dies einer ganzen Nation vorzuwerfen, die mittlerweile nicht mehr mit all dem zu tun, das wäre nicht richtig.“

Über gut gemeinte Hinweise, dass das Medieninteresse nach dem Erzählen seiner Geschichte zunehmen werde, hat Kaufmann am Anfang noch gelacht. „Jetzt lache ich nicht mehr“, gibt der Torjäger nach den vielen Anfragen zu. Bereut hat er es aber nie. „Jede Menge Leute hatten auf einmal Interesse daran und es gab jede Menge positives Feedback aus der ganzen Welt.“ Dass in den USA ohne diese Vorgeschichte kaum jemand vom Ex-Collegespieler, der in Amerika keinen Profivertrag erhielt, Notiz nehmen würde, ist Kaufmann klar. Der 27-Jährige ist ein intelligenter und reflektierter Mensch. Bei dem heiklen Thema spricht er nach wie vor lieber Englisch, obwohl sein Deutsch nach vier Jahren in Düsseldorf mehr als passabel ist.

Demnächst würde er gerne wieder mehr Deutsch mit den Medien reden. Das hieße, keine Fragen mehr zur Familiengeschichte beantworten zu müssen. „Ich bin schon froh, wenn das Interesse wieder nachlässt“, sagt Kaufmann ehrlich. Im Juni erwartet seine Frau Danielle das erste Kind, die Familie wird dann mit dem halben Düsseldorfer Team wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der DEG nach Nürnberg wechseln. „Mehr als alles andere freue ich mir darauf, nach Hause zu kommen und zusammen mit meiner Frau nach dieser gewaltigen Erfahrung bei der WM das nächste Kapitel aufzuschlagen.“