Deutsche NHL-Profis: Quartett mit Titelchancen

Boston (dpa) - Drei deutsche „Pinguine“ in Pittsburgh, ein genesener Stanley-Cup-Champion in Boston - doch das größte Interesse aus deutscher Sicht besteht vor dem Saisonauftakt der nordamerikanischen Eishockey-Liga NHL nicht an Routiniers wie Dennis Seidenberg, Christian Ehrhoff oder Marcel Goc.

Der 18-jährige Leon Draisaitl wurde im Juni bei der Draft an dritter Stelle von den Edmonton Oilers ausgewählt - so früh wie noch nie ein deutscher Akteur in den vier nordamerikanischen Profiligen. Das schürt Hoffnungen und in einer eishockeyverrückten Stadt wie Edmonton sogar einen Hype.

Seit 1990 warten die Fans hier auf den nächsten Stanley-Cup-Sieg. Die glorreichen Achtziger, als Wayne Gretzky die Oilers viermal zum Titel führte, sind Vergangenheit, der Mythos ist jedoch geblieben. Und Draisaitl soll dafür sorgen, dass es in der Ölmetropole langfristig wieder wie geschmiert läuft. „Ich fühle mich immer wohler, es wird von Spiel zu Spiel besser - obwohl die Gegner immer mehr ihre Topleute bringen und somit alles schneller geht“, meinte er nach dem 3:2-Testspielsieg gegen Arizona zur Wochenmitte. Die Tageszeitung „Edmonton Sun“ schrieb anschließend, dass Draisaitl seinen Platz im Kader der Oilers „zementiert“ habe.

Der 1,85 Meter große und 95 Kilo schwere Sohn von Ex-Nationalspieler Peter Draisaitl wird wohl als Center in der zweiten Sturmreihe zum Einsatz kommen. Viele schwärmen von seiner Passgenauigkeit, der Spielkontrolle und der Geschicklichkeit, die der Kölner Teenager trotz seines jungen Alters bereits zeigt. „Er hatte starke Szenen, aber muss bei einigen Dingen auch noch dazulernen“, betonte Trainer Dallas Eakins. Zu Beginn der Vorbereitung hatte sich Draisaitl das Ziel gesetzt, es dem Coach bei seiner Personalentscheidung so schwer wie möglich zu machen. Dies scheint ihm gelungen zu sein.

Draisaitl gilt als Zukunft der NHL-Deutschen. Und er könnte endlich eine riesige Lücke füllen. Bis auf die Torhüterposition gibt es keinen deutschen Stammspieler in den Zwanzigern. Die etablierten Seidenberg, Ehrhoff und Goc haben alle bereits die 30 überschritten. „Es wäre schön, wenn da mal wieder einige nachrücken würden“, sagt Seidenberg. Der Verteidiger der Boston Bruins hat die kürzeste Saison seiner NHL-Karriere hinter sich. Aufgrund eines Kreuz- und Innenbandrisses fiel er seit Ende Dezember aus. Dass Boston im Playoff-Viertelfinale an Montreal scheiterte, führten viele auch auf das Fehlen des stämmigen Schwarzwälders zurück.

Jetzt ist Seidenberg wieder fit, bis auf eine fünf Zentimeter lange Narbe über seinem rechten Knie ist nichts mehr von der Verletzung zu sehen. „Es ist schön, wieder beim Team zu sein, mit der Mannschaft zu trainieren, anstatt Einzelschichten zu schieben“, sagt er im Gespräch mit dpa. Seine Bruins gelten erneut als Mitfavorit. „Unser Ziel ist es immer, weit zu kommen, den Cup zu gewinnen. Ich sehe keinen Grund, warum wir es nicht schaffen können, wir sind bestens besetzt“, meint der 33-Jährige, der mit Boston 2011 Meister wurde.

Im Finale gewannen die Bruins damals gegen die Vancouver Canucks von Christian Ehrhoff. Der Verteidiger unterschrieb anschließend für zehn Jahre bei den Buffalo Sabres und erlebte an den Niagara-Fällen einen Totalabsturz. Nach der vorzeitigen Vertragsauflösung im Juni spielt Ehrhoff nun bei den Pittsburgh Penguins - wie einst in San Jose zusammen mit seinen Landsleuten Marcel Goc und Thomas Greiss, vor allem aber auch an der Seite von Stars wie Sidney Crosby und Jewgeni Malkin. „Wenn du mit ihnen auf dem Eis bist, willst du ihnen den Puck so schnell wie möglich geben und den freien Raum suchen, eine Anspielstation sein. Sie sehen das Spiel einfach anders, viel schneller, und machen Sachen, die viele andere einfach nicht drauf haben“, betont Ehrhoff.

Seine Verpflichtung nennt Manager Jim Rutherford „das größte Ding des Sommers“. Ehrhoff gilt als einer der offensivstärksten Verteidiger der Liga und könnte vor allem im Powerplay zusammen mit Crosby und Malkin ein Alptraum für die Gegner werden.

Neben den etablierten NHL-Deutschen kämpfen derzeit einige weitere um Kaderplätze. Nationaltorhüter Rob Zepp, der von den Eisbären Berlin zu den Philadelphia Flyers wechselte, hat in der Vorbereitung überzeugt und gute Chancen, Ersatzmann hinter Steve Mason zu werden. Stürmer Tobias Rieder liebäugelt bei den Arizona Coyotes mit einem NHL-Einsatz, Korbinian Holzer versucht sich bei den Toronto Maple Leafs durchzusetzen. Und Torwart Philipp Grubauer kämpft bei den Washington Capitals um den Posten zwischen den Pfosten.