2. Bundesliga 1860 München und der alte Reflex
Die Löwen haben einen neuen Trainer und haben ihn vorgestellt, wie es eben nur die Löwen machen.
München. Um kurz nach 14 Uhr verkündet Peter Cassalette die frohe Botschaft: „Das ist der Mann, der uns in die erste Liga führen soll“, stellt der Präsident des Traditionsvereins TSV 1860 München Vitor Pereira den Fans vor. Jubel unter den rund 250 Fans in der Traditionsgaststätte Hacker an der Theresienhöhe unweit des Oktoberfestgeländes. Der Reflex funktioniert auch 12 Jahre nach dem Abstieg aus der ersten Liga noch: Aufstieg ankündigen, Jubel. Wissen, das auch Pereira umgehend anwendet. „We go to the top“, ruft er von einer Empore den Anhängern zu. Jubel. Es ist davon auszugehen, dass der Portugiese diesen Kniff aber nicht erst von Cassalette lernen musste. Der 48-Jährige arbeitete bereits für türkische und griechische Traditionsvereine. Die Fans dort gelten als noch ein wenig enthusiastischer als mit Freibier versorgte Münchner. Pereira macht bereits vor seiner Ansprache zum Löwenvolk einen vergnügten Eindruck. Als rund 20 Jugendspieler der Münchner ihn mit einer Laola empfangen klatscht er jedes der Kinder begeistert ab. In der Wirtschaft lässt er sich bereitwillig Arme über die Schultern legen und Sympathiebekundungen ins Ohr schreien. Selfies mit verzückten Fans, dazu die Löwenhymne „Stark wie noch nie“. Nicht schlecht für einen Klub, den zur Winterpause nur zwei Punkte vom Relegationsplatz 16 in der zweiten Liga trennen.
Pereira wird sich über die triste Situation bei den Münchnern informiert haben, ehe er seinen bis 2018 datierten Vertrag unterschrieb. Zumindest versicherte er auf seiner Inthronisierungs-Pressekonferenz, er habe die Lage eingehend analysiert. Immerhin glich der Verein zumindest bei diesem Medientermin, der dem Fan-Act vorangestellt war, ansatzweise einem normalen deutschen Profiverein. Dass die Fragerunde mit einstündiger Verspätung anfing, lässt sich mit dem schwierigen Unterfangen erklären, die Zeitpläne aller wichtigen Personen zu synchronisieren. Pereira kommt aus Portugal, Investor Hasan Ismaik aus Jordanien. Geschäftsführer Anthony Power hat einen amerikanischen Pass. Ein Münchner Traditionsverein eben. Eigentümlich wirkte lediglich, dass nach der ersten Vorstellung Pereiras Applaus den Raum „Schwabing 3“ erfüllte, indem die Pressekonferenz in einem Münchner Hotel abgehalten wurde. Das lag allerdings nicht an spontaner Begeisterung, die die Journalisten für die Volten des Klubs zum Ausdruck bringen wollten. Sowohl die Entourage Ismaiks, wie auch jene Pereiras beliefen sich ungefähr auf Mannschaftsstärke.
Applaus also, als der Portugiese vorgestellt wird. Anschließend warme Worte von Cassalette. „Er hat eine sehr gute Fußball-Philosophie und einen klaren Blick für die Probleme, die wir haben“, sagte der Präsident. Auf jene Probleme wollte der Gelobte aber nicht näher eingehen. Schließlich war der Raum ja auch nicht für den ganzen Tag angemietet. Mit allzu vielen der derzeitigen Nöte muss er sich aber womöglich auch gar nicht mehr befassen. Ismaik wird es wahrscheinlich nicht bei einem neuen Coach belassen, sondern in den kommenden Monaten massiv in die Mannschaft investieren. „Ich bin erst glücklich, wenn wir in die erste Liga aufgestiegen sind“, ließ Pereira dann auch gleich eine Ankündigung ganz nach dem Gefallen Ismaiks fallen. Gemessen an diesen Maßstäben, dürften etliche ehemalige Löwen-Trainer wenig Freude am Leben haben.
Dass er durchaus versteht, erfolgreich zu arbeiten, bewies der Portugiese bei seinen ehemaligen Stationen. Mit Porto wurde er in seiner Heimat Meister, Olympiakos Piräus führte er in Griechenland zum Titel.
Derzeit darf es als unwahrscheinlich gelten, dass er in den kommenden Monaten seine Titelsammlung erweitern kann — auch wenn es die Münchner im Pokal irgendwie bis ins Achtelfinale geschafft haben. Von Trophäen wagen ja aber auch nicht einmal die Fans der Münchner zum träumen. Eine Saison ohne Abstiegssorgen wäre schon nicht schlecht. Weil aber Weihnachten vor der Tür steht und der gemeine 60er tief in seinem gepeinigten Löwenherz davon ausgeht, dass irgendwann alles gut wird, glaubt er nur allzu gerne, was Pereira sagt: „Ich bin sehr glücklich hier. Zusammen mit der großen Löwenfamilie schaffen wir es nach oben.“