Berlin-Derby mobilisiert: Eine Liga - zwei Welten
Berlin (dpa) - Die Rollen sind klar verteilt, das historische Comeback gab es schon in der Vorrunde: Dennoch elektrisiert das Derby Hertha gegen Union wieder die Hauptstadt. Das Olympiastadion ist mit 74 244 Fans längst ausverkauft; Berlins Fußballkneipen stellen sich auf Rekordumsätze ein.
„Der Rahmen ist außergewöhnlich, es wird schon ein besonderes Spiel“, erklärte Uwe Neuhaus, Chefcoach von Außenseiter 1. FC Union. „Das ist ein ganz besonderes Duell für Berlin“, meint Hertha-Manager Michael Preetz fast wortgleich.
Den besonderen Kick erhält das Berlin-Derby nicht so sehr aus der aktuellen sportlichen Situation, dazu ist der Tabellenführer Hertha (42 Punkte) viel zu weit vom abstiegsbedrohten 1. FC Union (22) entfernt. Vielmehr sind es die Geschichte und die Unterschiede beider Clubs, die für Brisanz sorgen. Eine Liga - zwei Welten.
Auf der einen Seite die Hertha, die sich als Bundesliga-Absteiger in der falschen Liga fühlt und zunächst weiter wie ein Erstligist wirtschaften kann. Auf der anderen Seite der Kiezclub aus Köpenick, der seine Vergangenheit als „Schlosserjungs“ pflegt und kultiviert. Reich gegen Arm, West gegen Ost, Künstler gegen Arbeiter - „Wir sind auf jeden Fall anders“, sagt Union-Manager Christian Beeck vor der Partie. Hertha-Coach Markus Babbel wünscht sich das nächste Derby „in der Bundesliga“.
Über 60 Jahre hatte es das Duell um Punkte gar nicht mehr gegeben, bevor die „Eisernen“ im September des Vorjahres dem Lokalrivalen an der „Alten Försterei“ ein 1:1 abtrotzten. Für Babbel, der als Aktiver einst die emotionalen Derbys in München und Liverpool erlebte, ist dies Warnung genug für das Rückspiel. „Wir sind krasser Außenseiter. Aber wir fahren als gefestigte Truppe dorthin und werden alles dafür tun, etwas mitzunehmen“, versprach Union-Kapitän Torsten Mattuschka.
Am 30. April 1950 hatten sich Hertha und Union Oberschöneweide, ein Vorgänger des heutigen 1. FCU, letztmals vor der politischen und sportlichen Trennung in einem Punktspiel getroffen. Union gewann im Poststadion mit 5:1, dann trennten sich die Wege. Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs waren die Fans beider Clubs in der geteilten Stadt sogar freundschaftlich verbunden - nach der Wende wurde das anders.
Zu unterschiedlich sind die Wege der Vereine. Hertha kann trotz großer Schulden auch in Liga zwei mit einem Etat von 35 Millionen Euro planen, Union bei weniger Schulden gerade 12 Millionen Euro einsetzen. Bei aller Rivalität: Die Chefs beider Clubs appellieren an das Fairplay, von Klassenkampf oder ähnlichen Ansagen wollen sie mehr als 20 Jahre nach der Einheit nichts wissen. „Wir müssen mit kühlem Kopf rangehen“, forderte Union-Coach Neuhaus.