Halb Europa will Goretzka - erst Abi in Bochum
Bochum (dpa) - Tief im Westen reift eines der größten deutschen Fußball-Talente heran. Obwohl Leon Goretzka erst 17 Jahre alt ist und beim Zweitligisten VfL Bochum kickt, steht er schon auf der Wunschliste zahlreicher europäischer Topclubs aus Spanien, Italien, England - und der Bundesliga.
„Er ist ein Ausnahmespieler, wie ich ihn bisher noch nie in der A-Jugend hatte“, meint der ehemalige Nationalspieler Dariusz Wosz und sagt eine große Karriere voraus.
Diese Einschätzung hat Bochums Jugendtrainer keineswegs exklusiv. Das riesige Potenzial von Goretzka, der in der Vorsaison vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold als bester Nachwuchsspieler seines Jahrgangs (1995) ausgezeichnet wurde, hat sich auf dem Kontinent herumgesprochen.
Neben den italienischen Spitzenvereinen AC und Inter Mailand sowie Juventus Turin, die schon vor einem Jahr erste Abwerbeversuche starteten, sind auch Scouts aus England und Spanien am Ball. VfL-Manager Jens Todt bezeichnet eine vor zwei Wochen durch Spaniens Medien gegeisterte Offerte von Real Madrid für Goretzka zwar als „verspäteten Aprilscherz“. Aber: Auch die deutschen Branchenriesen FC Bayern und Borussia Dortmund beobachten den Youngster genau.
Bei einer Talkrunde im Bochumer Schauspielhaus offenbarte der aus der Ruhrpottstadt stammende Bayern-Co-Trainer Hermann Gerland schon Anfang dieses Jahres seine Wertschätzung für Goretzka: „Ich habe mit dem VfL auch gesprochen. Ich habe gesagt, dass ich Interesse habe, diesen Spieler nach München zu holen.“ Inzwischen soll Bayerns Sportchef Matthias Sammer, der Goretzka aus seiner Zeit als DFB-Sportdirektor aus sämtlichen U-Nationalteams bestens kennt, die Verpflichtung des 1,89 Meter großen, spiel- und kampfstarken Mittelfeldakteurs zur „Chefsache“ erklärt haben.
Noch dazu spielt auch Goretzkas sportliches Vorbild in München. „Fußballerisch eifere ich am ehesten Toni Kroos nach. Ich sehe mich als Achter, eine Mischung aus Spielmacher und Abräumer“, erklärt Goretzka, der als bodenständig und heimatverbunden gilt. „Er hat einen klaren Kopf und lässt sich nicht verrückt machen“, lobt Wosz.
Obwohl Goretzka, in dem viele Experten einen „modernen“ Michael Ballack sehen, längst zu einem Topverein hätte wechseln können, blieb er dem VfL bisher treu. Er schloss sogar einen langfristigen Vertrag bis 2016 ab. „Es sprachen viele Gründe für Bochum: Hier bekomme ich meine Einsätze, hier ist mein Zuhause und hier kann ich an der Schule bleiben und 2014 mein Abitur machen“, erläutert der Schüler.
Seinen Traum, das erste Spiel als Profi beim VfL zu machen, für den er seit der F-Jugend kickt, hat er sich längst erfüllt. Seit Saisonbeginn ist er in der VfL-Zentrale Stammkraft, absolvierte zwölf Zweitliga-Spiele und erzielte ein Tor. Bei der U-17-EM im Sommer war Goretzka, der mit der DFB-Auswahl den Titel knapp verpasste, einer der auffälligsten Spieler. Mittlerweile stieg er in die U 19 auf.
Zwar würde er am liebsten mit Bochum in die Bundesliga zurückkehren, doch nach dem verkorksten Saisonstart und nur zwei Zählern Vorsprung auf die Abstiegsränge liegt dieses Ziel in weiter Ferne. Sollte der schlimmste Fall eintreten und der VfL sogar in die 3. Liga abstürzen, wäre Goretzka schon 2013 nicht zu halten.
Spätestens im Sommer 2014 nach dem Abitur dürfte sich das Talent dann anderweitig orientieren. Selbst für diesen Fall hat er bei Vertragsabschluss auf sein blau-weißes Herz gehört: „Ich habe dem VfL sehr viel zu verdanken. Wenn ich einmal wechsele, soll er finanziell profitieren.“